Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Yuval Noah Harari: SapienS

Ein Weltbestseller als Graphic Novel

Wie mag sich der israelische Historiker wohl gefühlt haben, sich selber als Comic-Figur zu begegnen? Andererseits, ihm wird bewusst gewesen sein, dass die vierteilige Graphic Novel, die mit diesem Band beginnt, seine Thesen — und seinen Namen — hinaus noch populärer machen wird. Wenn auch Menschen in aller Welt für seine Bücher schwärmen, es gibt auch viele, denen die visuelle Form näher liegt.

Ein internationales Projekt, das es nicht erst seit heute gibt: Die Erstveröffentlichung gab es 2011 auf Hebräisch. Der belgische Comicautor David Vandermeulen vollbrachte eine große Leistung, für das wissenschaftlichen Buch eine Handlung zu erfinden, die szenisch sein musste, auf Dialoge hin gebaut. Der Franzose Daniel Casanave brachte die Texte durch seine Zeichnungen ganz nahe an die Gegenwart heran.

Für das Buch spricht die leichte Rezipierbarkeit. Wie es war mit den Homo Sapiens und den Neanderthalern, warum erstere den letzteren schließlich überlegen waren, wird, das war eine gute Idee, nicht lediglich erklärt, sondern diskutiert. Ein Blick Zehntausende von Jahren zurück: Wobei nicht der Eindruck entstehen dürfte, dass wir über unsere jagenden und samelnden Vorfahren schon alles wüssten. Wobei sich viele unserer heutigen Probleme dadurch erklären, dass „unsere Steinzeitgehirne“ mit der heutigen Realität zurecht kommen müssen. Das sagt die Biologin Professor Saraswati, der als fiktive Figur im Buch eine tragende Bedeutung zukommt. „Denn unser Unterbewusstsein lebt noch immer in dieser Welt.“

Wie die beiden Comicautoren eine internationale Konferenz von Historikern, Anthropologen, Biologen, Archäologen in Szene gesetzt haben, ist wirklich gut. Dass das Leben der Wildbeuter besser war als der Bauern in späteren Agrargesellschaften, ist eine interessante Vorstellung. Dass sie aber für die Ausrottung vieler Tierarten verantwortlich waren, überall wohin sie kamen, verbindet sich mit einem zeitgemäßen ökologischen Appell.

Dass mir in dieser Form manches vereinfacht erschien, liegt in der Natur des Genres. Die Graphic Novel kann ja auch Anregung sein, tiefer in Yuval Noah Hararis eindringen zu wollen und sich die Zeit für seine Bücher zu nehmen.

Yuval Noah Harari, David Vandermeulen, Daniel Casanave: Sapiens. Der Aufstieg. Graphic Novel. Verlag C.H.Beck, 245 S., geb., 25 €.

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