Können Roboter lieben?
Kenza Ait Si Abbou lotet die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz aus
Irmtraud Gutschke
Warum wohl, überlege ich, habe ich in der Serie „Star Trek“ den Androiden „Data“ so gemocht. Sein mitunter ausdrucksloses Gesicht mit den grünen Augen, aber dahinter wirbelten die Gedanken. Er analysiert alles, was er erlebt, zieht rationale Schlussfolgerungen – und sehnt sich nach mehr: möchte lachen können, Witze erzählen, lieben. Und führt uns dadurch vor Augen, was wir der Künstlichen Intelligenz voraus haben. Wirklich? Und wie lange?
Kenza Ait Si Abbou, 1981 in Marokko geboren, forscht schon lange auf dem Gebiet der KI. Ihr Buch beginnt mit einem Date: Den niedlichen Roboter Pepper sehen wir auch auf dem Buchumschlag. Was sie interessiert, sind Maschinen, die „unsere Emotionen und Gefühle lesen und deuten können“. Wie können sie das lernen? Was bedeutet es, mit KI zu interagieren? Wie die Autorin diverse feine Analyseinstrumente erklärt – versteckte Muster in Ton und Text, die erkannt werden können, den „Tanz der Augen“, kann einem durchaus beklommen werden. Wenn eine Maschine den Menschen ganz und gar „durchschauen“ kann, tut sie das ja in menschlichem Auftrag.
Aber interessant ist es schon: „Der empathische Kundenservice“, wie Kenza Ait Si Abbou ihn beschreibt, kann vielleicht verkaufsfördernd wirken. Und es gibt ihn auch bereits. Aber wenn man nicht mit einem „Chatbot“ sprechen will? Die Autorin arbeitet daran, dass wir es wollen, indem es immer besser funktioniert, und hat auch nichts dagegen, wenn Menschen sich in Sexroboter verlieben. Roboter in der Pflege? Bei dem herrschenden Personalmangel wird es so weit kommen. Die Faszination dieses Buches besteht darin, dass es uns eine weite Perspektive eröffnet, was künftig möglich sein wird und womöglich jetzt schon ist. Die Autorin brennt für ihr Fachgebiet und sieht emotionale KI nicht als schlechten Ersatz für menschliche Zuwendung. Freilich, manchmal ist ein Roboter „besser als nichts“, aber damit gibt man diesem „nichts“ ja schon seinen Segen.
Und die Kampfroboter? Sie kommen im Buch nicht vor, aber computergestützte militärische Hardware gibt es längst, und die Steuerungssoftware wird weiterentwickelt. All das geht ja schon vor sich, wenn auch nicht unbedingt vor unseren Augen. Die Autorin bezeichnet sich selbst als „Führungskraft in einem global orientierten Unternehmen“. Kann ich ihr da vorwerfen, dass sie bezüglich KI zu optimistisch ist und überhaupt nicht die sozialökonomischen Hintergründe einer auf Profit und Macht getrimmten Gesellschaft hinterfragt? „Das gewaltige Potenzial emotionaler KI braucht Regulierung“, sagt sie gegen Schluss. Aber ist das unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt konsequent möglich? Wer dieses Buch kauft, das muss ich bedenken, hat diese fundamentalen Zweifel wohl nicht, sondern ist erst einmal von Neugier getrieben und dem Glauben, dass zunehmende Automatisierung letztlich ihr Gutes hat. Diese Hoffnung wird bestärkt werden.
Kenza Ait Si Abbou: Menschenversteher. Wie Emotionale Künstliche Intelligenz unseren Alltag erobert. Droemer, 253 S., geb., 20 €.