Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Wenn man nachts nicht schlafen kann

Sich selber Langeweile machen?

Irmtraud Gutschke

Auch wenn der Buchumschlag dieses reizvollen Bändchens aus der Insel-Bücherei lauter Schafe zeigt, die gezählt werden wollen, ob Lektüre dermaßen entspannt, dass man sofort einschlafen kann, ist die Frage. „Ein Lesebuch“, für das Paula Schmid 35 Texte aus der Weltliteratur herausgesucht hat – Gedichte und Prosastücke, die alle von der Nacht handeln, von Ruhe und Ruhelosigkeit, von Lust und Gespenstern, vom Herumirren durch die Gassen und der Zurückgezogenheit mit einem Buch. Nachttischlektüre, eine Sammlung kleiner Leckerbissen, an denen man sich erst einmal erfreut.

Wobei es auch beruhigend ist zu wissen, dass es über die Jahrhunderte vielen so ging, dass sie nicht einschlafen konnten und die Stunden zählten. Manche waren verzweifelt andere haben es genossen. „Es ist gut, dass es Eulen gibt“ meint Henry David Thoreau. An Kinderängste erinnert sich Max Hermann-Neisse. Mascha Kaléko lauscht den Geräuschen der Nacht. Alberto Manguel verwandelt sich gleichsam in einen Geist und hört die Bücher rufen. „Lange Zeit bin ihc früh schlafen gegangen“, bekennt Marcel Proust und genießt, ob wach oder im Halbschlaf, einen Zustand der Schwerelosigkeit. Franz Kafka quält sich. Else Lasker-Schüler ist „eine lauschende Blume“ in Erwartung: „An dem seligen Glanz deines Leibes/ Zündet mein Herz seine Himmel an …“

„Zu wenig Zeit genommen/ für die Betrachtung der Sterne.“ Wie Recht Rainer Malkowski hat und wie dankbar ich der Herausgeberin bin, dass sie diesen Dichter nicht vergessen hat. Verfluchte Flüchtigkeit – sie hat uns in ihrer Gewalt. Es ist die Hast, die uns nicht schlafen lässt. „Sich selber Langeweile machen“, wie Jean Paul es vorschlägt? Er selber, bekennt er, würde um die Erde reitet, „von Wolke zu Wolke … durch langes Blau und durch Äquator-Güsse“… Und für mich mischt sich die Freude, diesen Menschen zu begegnen, mit Wehmut, dass sie nicht mehr sind und man einen wie Jean Paul zum Beispiel im Heute nicht findet.

„Wenn man nachts nicht schlafen kann“. Ein Lesebuch. Herausgegeben von Paula Schmid. Mit Illustrationen von Katrin Stangl. Insel Verlag, 93 S., geb., 10 €.

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