„Nicht alles an der Würde ist logisch“
Von Irmtraud Gutschke
Dieses Buch ist wie Schokolade mit Chili, wie Hering mit Honig, eine Mischung widersprüchlicher Komponenten, die sich einzeln herausschmecken lassen – als Pendant für widersprüchliche Gefühle dieses Riesenland Russland betreffend. Etwas Liebe dazu möchte schon da sein, um die ironisch, satirisch, sarkastischen Texte von Alexander Estis zu genießen. Aber der Autor, 1986 in einer jüdischen Künstlerfamilie in Moskau geboren, kam zehn Jahre später mit seinen Eltern nach Deutschland, studierte deutsche und lateinische Philologie und lebt inzwischen in er Schweiz. Das Land seiner Herkunft, wohl in der Tiefe in ihm verwurzelt, ist ihm zugleich auch dubios geworden. Wobei man nicht einmal anderswo leben muss, um so zu fühlen. Dem Selbstironischen begegnet man in Russland allenthalben.
Da gibt es wirklich manches, was Deutschen nicht zugänglich ist, die vom Russischen keine Ahnung haben. Die anderen aber, werden das Buch schmunzeln genießen, laut lachen und unter Freunden herumzeigen. Ob Goldkreuz, Mat oder Mutj – die Beobachtungen sind dermaßen genau, die Formulierungen so voller Zwischentöne… Zwischen „Besobrasie“ und „Birken“ liegt ein tiefes Meer. Das wird der deutsche Außenminister kaum durchschwimmen können, denn: „Nicht alles an der Würde ist logisch“, aber Würde ist ein zentraler Begriff. Und der „Nemez“, der Deutsche, hält sich „für was Besseres. Aber er soll sich nichts vormachen: Er kriegt genau den Russen, den er verdient.“
Alexander Estis: Handwörterbuch der russischen Seele. Zeichnungen Lydia Schulgina. Parasitenpresse, 72 S., br., 12 €.
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