Someone is watching you
George Orwells „1984“ scheint dermaßen aktuell, dass es aus drei Verlagen Neuübersetzungen gibt
Von Irmtraud Gutschke
So aktuell scheint dieser Roman von 1949, dass gleich drei Verlage – S. Fischer, Insel und dtv – fast zeitgleich Neuübersetzungen in Auftrag gaben. Vom Schutzumschlag der Insel-Ausgabe (Gestaltung Brian Barth) schauen uns lauter Augen an. Das trifft ein Gefühl, das ohnehin vorhanden ist. Könnte ein totalitärer Überwachungsstaat Wirklichkeit werden?
Sicher nicht ganz so, wie der englische Schriftsteller es uns in seiner bestürzenden Geschichte ausmalt. Andererseits, die technischen Möglichkeiten sind inzwischen viel größer, die Digitalisierung öffnet Unvorstellbarem Tür und Tor.
Zum Zeitpunkt seines Entstehens konnte man den Roman als eine Auseinanderatzung mit Nazismus und Stalinismus verstehen. Die Vorstellung, dass beide auf unhistorische Weise in einen Topf geworfen würden, war der Grund, dass das Buch in der DDR nicht erscheinen durfte. Die stalinistischen Verbrechen waren ein Geburtsfehler auch des DDR-Staates, sie beschädigten seinen Ruf, während man doch eine neue, gerechte Gesellschaft aufbauen wollte. Angesichts des Buchtitels 1984 denkt man heute mit, wie die Sowjetunion in jenem Jahr an der Schwelle zu einer Öffnung stand, die ihren Untergang einleitete.
Vielleicht sollte man sich den Romantitel anders vorstellen: „2049“ vielleicht. „Someone is watching you“ – die Warnung gilt auch schon für de Moment.
Im Vergleich zur opulenten bibliophilen (und deshalb auch teureren) Ausgabe von S. Fischer und der reich kommentierten von dtv, gilt der Band von Insel allein dem Roman, dessen Neuübersetzung von Eike Schönfeld nichts zu wünschen übrig lässt.
George Orwell: 1984. Roman. Übersetzt von Eike Schönfeld. Insel Verlag, 380 S., geb., 20 €.