Die seltsamen Abenteuer des Peregrinus Tyß
Irmtraud Gutschke
Der Vater war Hofgerichtsrat in Königsberg, und er selber ging nach einem Studium der Rechte ans Kammergericht in Berlin. st wurde Kammergerichtsrat in Berlin. Womit sein Schicksal schon hätte besiegelt sein können ebenso wie das von Peregrinus Tyß, dessen Vater ein nüchterner Frankfurter Kaufmann war. Aber beide, der Schriftsteller und sein Protagonist, hatten nun mal eine romantische Seele. Und aus diesem Zwiespalt erwuchsen die tollsten Geschichten.
Die märchenhafte Erzählung „Meister Floh“ von E.T.A. Hoffmann ist schon vielfach herausgegeben worden und inspirierte zahlreiche bildenden Künstler: von George Cruikshank (1826) bis Aleksej Krawtschenko (1922), Theodor Hosemann (1844) bis zu einem Mann, der sich Stefan Mart nannte (1932). Die neue Ausgabe nun, originalgetreu im Text, hat den 1963 in Rjasan geborenen Künstler Alexander Pawlenko angelockt, der übrigens wie Peregrinus Tyß in Frankfurt (Main) lebt und unter anderem auch durch seine Comics von sich reden machte. Dass der Verlag Edition Faust ihn für E.T.A. Hoffmann gewann, ist nur folgerichtig, hat er dort doch Oscar Wildes „Lord Arthur Saviles Verbrechen“ (218) und die Graphic Novel „Faust“ nach Goethe (2022) illustriert. Und auch mit E.T.A. Hoffmann hat er nach „Der goldene Topf“ (2022) schon seine Erfahrungen gemacht.
Scherenschnittartige Bilder in scharfem Schwarz-Weiß-Kontrast: das passt, schließlich muss sich Peregrinus‘ Phantasiewelt gegen die nüchterne Realität behaupten. Da gibt es den Buchbinder Lämmerhirt, bei dem unser Held eine geheimnisvolle Frau trifft, die schöne Dörtje Elverdink, Nichte des Flohbändigers Leuwenhoek, der von sich behauptet, in Wirklichkeit der Mikroskopbauer der Mikroskopbauer Antoni van Leeuwenhoek zu sein. Der ist allerdings schon lange tot, allerdings ein Magier gewesen, sodass wir uns nicht wundern, dass es auch mit Dörtje eine magische Bewandtnis hat.
Und die Titelgestalt „Meister Floh“? In Peregrinus‘ Schlafzimmer erscheint ein winziges Wesen, sprachbegabt und belesen. Er sucht Dörtje, und sie sucht ihn. Verwickelt? So soll es ja auch sein. Dann wird Peregrinus auch noch verhaftet, aber der Floh ist dabei, und kann Gedanken lesen. Und keinesfalls wundern wir uns, dass Dörtje eine verzauberte Prinzessin ist … Wer meint, dass Peregrinus sie heiratet würde, irrt. E komt ganz anders, aber dennoch gut.
E. T. A. Hoffmann allerdings, von einer Nervenerkrankung geplagt, bekam es mit der Zensur zu tun, die hinter dem Märchen eine Satire vermutete. So erschien seine Erzählung – er starb darüber hin – in gekürzter Fassung. Die Untersuchung gegen den Autor ist eine so interessante Geschichte, dass dem Band ein Nachwort gut getan hätte. Wobei es auch verständlich ist, dass der Verlag davon Abstand nahm. Das Märchen mit Pavlenkos großartigen Illustrationen sollte für sich stehen.
E.T.A. Hoffmann: Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde. Illustriert von Alexander Pavlenko. Edition Faust, 223 S., geb., 24 €.