Breitbeinig … Und langsam
Beat Sterchi erzählt von einem Sommer in seinem Garten
Von Irmtraud Gutschke
Das Unkraut stand kniehoch, aber die Mandelbäumchen waren nicht erfroren, der Apfelbaum blühte. Der Schweizer Schriftsteller Beat Sterchi fährt in ein spanisches Dorf, wo er ein einfaches Sommerhaus und einen Garten hat. Eigentlich sucht er den „roten Faden“ für ein neues Buch. Aber was heißt eigentlich? Eigentlich will er Kartoffeln setzen, sehnt er sich nach der Gartenarbeit. Am Ende des Buches, die kühle, regnerische Jahreszeit kündig sich an, wird er mit einem stattlichen Sack Kartoffeln in seinem Volvo wieder abfahren. Und vielleicht hat er auch schon jenen „roten Faden“ im Kopf. Natürlich, sonst würde es ja dieses Buch nicht geben.
„Capricho“, Laune, heißt es. Mit diesem Wort kann er nämlich den Bauern vor Ort am leichtesten erklären, warum er normalerweise Bücher schreibt, sich aber jetzt unbedingt eine neue Hacke kaufen wollte. Was für sie das ganz normale Tagwerk ist, er übt sich darin mit Genuss, holt Schafsmist von Ramón, bekommt Saatkartoffeln vom alten Marcos, der ihm auch noch hilft, die Furchen zu ziehen, so dass die Pflanzen bewässert werden und ihm erklärt, dass er zum Setzen der Kartoffeln den Vollmond abwarten muss. Breitbeinig und langsam, wie die Bauern es tun, muss er lernen, seine Beete zu Hacken.
Das hat in diesem Buch durchaus etwas Bezeichnendes. Der Übergang zu einem anderen Lebensrhythmus wird beschrieben, ja zu einem anderen Leben, in de ganz andere Dinge wichtig sind als in der großen Stadt. Heruntergekommen könnte man das Dorf nennen, doch welchen selbstverständlichen Zusammenhalt gibt es hier. Da kommt dem Autor natürlich zu Hilfe, dass er nicht nur die Landessprache kann, die Leute kennt, sondern mit ihnen auch einen Ton findet, auf eine Wellenlänge kommt und dadurch eine Geborgenheit erfährt, wie man sie in der Großstadt nicht haben kann. Dafür muss man sich aber Zeit nehmen. Und so wird man beim Lesen von einer großen Ruhe angesteckt, auch wenn die Lektüre kurzweilig, unterhaltsam ist.
Der nachbarin hat ein Marder die Hühner gerissen (wie vertreibt man den wohl?), ein Steinbock blickt dem Aotor in die Augen, eine Maus lugt hinter seinem Schrank hervor. Im Dorf wird er Teil einer belebten Umwelt. Sind es Geier? Nein Krähen. Fuchs, Fledermaus und Eidechse, Käfer und eine fehlende Katze – kaum zu glauben, wie viele Tiere vorkommen. Die Bauern fahren ja auch mit einem Eselgespann, und natürlich beobachten sie, wie der Garten des Städters gedeiht. Wie er dort jätet, sich an einer Rose freut, Tomaten pflückt und Bohnen erntet, ist allerdings nicht alles in diesem Buch, das nur bedingt ein Gartenbuch genannt werden kann. Eigentlich ist es zu dem Roman über das Dorf geworden, den er sich wünschte, über ein Dorf, wie es eigentlich fast schon zur Vergangenheit gehört. Und noch etwas anderes: Es ist ein Buch der Entschleunigung, des Innehaltens, der Achtsamkeit. Es ist eine große Freude, die man gut auch verschenken kann.
Beat Sterchi: Capricho. Ein Sommer in meinem Garten. Diogenes, 260 S., Leinen,
24 €.