„Das freie Kochbuch“
Von Irmtraud Gutschke
So schön, wie der Buchumschlag von Kim Waters Murray gestaltet ist, ruft das Buch geradezu dass, dass man es zur Hand nimmt. Wobei es schwer wiegt, immerhin 529 Seiten, gedruckt auf gutem Papier. Als „freies Kochbuch“ kündigt es sich an“ ohne politisch korrekte Ernährung“. Hallo, was ist denn in der Ernährung „politisch korrekt“? Dass man kein Fleisch isst, damit Tiere nicht ermordet werden? Dass man überhaupt nichts zu sich nimmt, was tierischer Herkunft ist, damit ein Ende der Massentierhaltung näher kommt? Solche persönlichen Entscheidungen können tatsächlich politische Folgen haben und werden (mangels politischer Aktivitäten im Sinne gerechterer Gesellschaften) in er Öffentlichkeit auch gerne betont. Wo niemand mehr Hungerleiden muss wie anderswo kann man nicht nur dem Luxus der Delikatessen frönen, sondern man kann sich auch tiefere Gedanken darüber machen, was denn nun wirklich gesund ist und was nicht. „In den westlichen Industrienationen stirbt jeder Dritte an Krebs“, schreibt die Autorin in der Einleitung zum Buch, jeder Dritte leidet an Allergien, jeder Zehnte wird Geschwüre haben und jeder Fünfte ist psychisch krank.“ Und diese „Liste des Schreckens“ wird noch fortgesetzt. Heutzutage sei „fast die Hälfte aller Amerikaner von chronischen Krankheiten betroffen“ und tragischerweise würden auch Junge Menschen an ihnen leiden.
Sind Coca Cola und Burger daran schuld? Auf jeden Fall sollte man vorsichtiger sein, was industriell gefertigte Lebensmittel betrifft, aber ganz meiden wird man sie nicht können. Bis in unser täglich Brot hinein, die Lebensmittelchemie lässt grüßen. Aber bedeutet das nun, dass wir auf Butter, Eier und rotes Fleisch verzichten sollen? Für die Ernährungsforscherin Sally Fallon sind tierische Fette und Cholesterin keine Übeltäter an sich, sondern notwendige Bestandteile der Ernährung. Wobei sie Bio-Rindfleisch, -Lammfleisch und -Hühnerfleisch empfiehlt und bezüglich Schweinefleisch zurückhaltend ist. Man wird also kein Eisbein-Rezept im Buch finden. Auch das auf Holzkohle Gegrillte ist aus ihrer Sicht mit Vorsicht zu genießen oder besser abzulehnen.
Wie die Autorin auf 87 Seiten detailliert erklärt, was gut für uns ist und was schlecht, gehen wir als Experten aus der Lektüre hervor. Es macht ja auch den besonderen Wert dieses Kochbuchs aus, das bei Unimedica schon mehrere Auflagen hatte und in den USA über 600 000 Mal verkauft worden ist. Aber mit den „700 zeitlosen Rezepten“ werden einschlägige Veröffentlichungen wohl auch nicht mithalten können. Kochbücher erfreuen sich ja großer Beliebtheit auf dem Markt, obwohl man in Windeseile jedes Rezept per Internet nachschlagen kann. Es macht einfach Freude in Kochbüchern zu blättern, Mahlzeiten nicht nur zu planen, sondern sie sozusagen schon im Voraus zu schmecken. Ob einfache oder raffinierte Gerichte, Brühen und Suppen, Salate Dressing, Frühstücksideen, Hauptgerichte mit Fisch, Fleisch, Gemüse, Fingerfood, oder Desserts – nichts fehlt, es gibt sogar Tipps zur Babyernährung und selbst hergestellten Gesundheitselixieren. Der Verlag hat Recht, wenn er den bekannten Arzt und Ernährungsforscher Dr. William Campbell Douglass zitiert: „Das Vermächtnis unserer Nahrung ist mehr als nur ein Kochbuch – es ist Bildung.“ Und interessanter, unterhaltsamer Lesestoff, wenn zum Beispiel auf Seite 248 die „Ernährungsfreuden“ der U.S. Army unter die Lupe genommen werden. Das Bild dazu zeigt einen G.I. im Stahlhelm, lachend und mit einem Burger in der Hand. „Lecker! Lecker!“, heißt es dazu. „Vielleicht sollte diese ‚Ernährung zur Niederlage‘ mit der Sowjetunion geteilt werden!“ Aber die Sowjetunion gibt es ja nun schon nicht mehr.
Sally Fallon (mit Mary G. Enig): Das Vermächtnis unserer Nahrung. Das freie Kochbuch ohne politisch korrekte Ernährung. Mit der Heilkraft von über 700 zeitlosen Rezepten. Verlag Unimedica, 544 S., geb., 34 €.