Ein Rosenstrauß mit Rhabarbertorte
Irmtraud Gutschke
„Es ist warm, aber gewittrig. Seit heute Morgen, 4 Uhr, es war noch fast dunkel, ruft mein Freund der Kuckuck … Ich pflanze gleich die vorgezogenen Zinnien ein… Außerdem habe ich die Dahlienknollen aus dem Winterquartier geholt…“ Das hat Caroline Ronnefeldt am heutigen 21. Mai in ihr Gartentagebuch geschrieben. Was habe ich heute früh gemacht? Rosen geschnitten, fast zwei Eimer voller Blüten, die man entfernen muss, sobald sie welken. Sonst wächst nichts Neues nach. Rosen – ich habe, glaube ich, 71 Stöcke – liebt die Autorin dieses Buches offenbar ebenso wie ich. Da will ich gleich nachschauen, ob ich auch bei mir die Kletterrose „Gloire de Dijon“ zu erkenne, die auch Frau Ronnefeldt im Garten hat. In Gedanken geselle ich mich zu ihr und lasse mir etwas über die Kulturgeschichte meiner Lieblingsblumen erzählen – und mir dabei die Rhabarbertorte schmecken, zu der sie mir auch gleich das Rezept verrät. Es stammt von Carolines Mutter Anne, die hier als Mitautorin fungiert, denn ohne sie hätte die Tochter diese Gartenliebe nicht.
Gartenliebe als Fulltime-Job. Funktioniert nicht, wenn man sein Leben mit Schreiben zubringt, sage ich. Wie kommen sie darauf, hält mir Caroline Ronnefeldt entgegen, die Kinderbücher und mehrere Romane verfasst hat. Vorher hat sie Kunstgeschichte und Illustration studiert. Das merkt man diesem Buch auch an. Zu sagen, dass es wunderschöne Illustrationen enthält, wäre eine Untertreibung. Denn jede Seite hat eine eigene künstlerische Gestaltung. Die Farbenfreude, die Fülle, die Opulenz, die ich mit einem schönen Garten in Verbindung bringe, finde ich optisch wieder. Dazu eine Fülle von Informationen und Impressionen, Geschichten und Gedichten. Blumenporträts vom Akelei bis zum Vergissmeinnicht. Zum Veilchen gibt es dann ein Essigrezept.
Mit Bertolt Brecht sprengen wir den Garten. Mit Christian Morgenstern erfreuen wir uns an Butterblumen, statt sie als Unkraut zu verachten. Aus Löwenzahn kann man Sirup machen, aus Schattenmorellen köstlichen Likör. Liebstöckel, Rosmarin, Salbei … Natürlich gehört auch ein Kräuterbeet dazu. Wir beobachten Schmetterlinge, kochen Brombeer-Apfelgelee. Was mache ich im Herbst nur mit den vielen Birnen? Auch dazu hat die Autorin eine Idee und überrascht mich noch mit „Dirndllikör“. Der Name hat nichts mit dem Kleidungsstück zu tun, sondern bezieht sich auf die Kornelkirsche. Sollte ich nicht mal einen solchen Strauch pflanzen, der zudem im Frühling schön blüht?
Viele Anregungen gibt einem dieses Buch – und vor allem viel Freude beim Lesen und Schauen. Ein prächtiges Geschenk für alle, die ihre Gärten lieben. Sollte ich es meiner Schwester schenken, die so genussvoll in ihre Beete taucht? Vielleicht stelle ich es mir selber ins Bücherregal, um immer wieder darin zu blättern und zu lesen, und besorge für meine Schwester ein zweites Exemplar.
Und jetzt schnell: Die Erde ist so trocken. Der Garten braucht Wasser.
Caroline und Anne Ronnefeldt: Mein Garten, meine Seele. Pflanzideen, Rezepte und Geschichten. Ars Edition, 208 S., geb., 25 €.