Nichts für Vegetarier
Von Irmtraud Gutschke
Alle möglichen Theorien zur gesunden Küche gibt es und viele persönliche Vorlieben, denen zu folgen zum Luxus unserer Lebensweise gehört. Wir haben eine Wahl, an die andere Menschen auf der Welt gar nicht denken können. Auch unsere fernen Vorfahren aus der Steinzeit nicht, die sich vom Jagen und Sammeln ernährten, noch nicht sesshaft waren und noch keinen Ackerbau betrieben. Das Leben der wenigen auf der Welt verbliebenen Nomadenvölker bringt manche Wissenschaftler heute auf die Idee, das Leben vor der „neolithischen Revolution“ zu verklären – im Gegensatz zu unserer Lebensweise, die so ermüdend und stressbehaftet ist, so entfremdet von der Natur, mit der sich unsere fernen Vorfahren, wie gesagt, noch eins fühlen konnten.
Wie viele Ernährungsmodelle gibt es inzwischen, die uns von den Folgen unserer industriell gefertigten Nahrung schützen sollen! Vegetarier und Veganer bekommen gleich das Gefühl einer moralischen Überlegenheit hinzu und würden über die Paleo-Ernährung die Stirn runzeln, einfach Fleisch – nicht nur weißes, sondern auch rotes – bei diesem Konzept unbedingt dazugehört. Davon hat es ja seinen Namen, dass unsere fernen Vorfahren sich vornehmlich von ihrer Jagdbeute ernährten, wie es Völker, die vornehmlich von dr Viehzucht leben, bis heute tun.
Die beiden Autorinnen, Dr. Sarah Ballantyne und Alaena Haber haben durch Umstellung auf Paleo-Ernährung eigene gesundheitliche Probleme in den Griff bekommen, wie sie in ihren einleitenden Texten schildern. Alaena, die lange mit einer Autoimmunkrankheit zu kämpfen hatte, fand Sarahs Webseite und befreite Kühlschrank und Speisekammer von Eiern, Nüssen, Samen, von Kaffee und Nachtschattengewächsen. „Innerhalb weniger Wochen verschwanden meine Magenschmerzen, meine Verdauung regulierte sich und meine Stimmung wurde stabil.“ Sarah war seit ihrer Kindheit krankhaft fettleibig, hatte Muskelschmerzen und entwickelte eine frühe Arthritis. Aber als sie die Paleo-Ernährung für sich entdeckte, konnte sie innerhalb von zwei Wochen sechs verschreibungspflichtige Medikamente absetzen, sie sie seit dem 12. Lebensjahr eingenommen hatte. Dass sie als Wissenschaftlerin von der Physik zur medizinischen Biophysik und schließlich zur Zellbiologie gewechselt hatte, schlät sich in diesem Buch nieder.
Denn genauestens erklärt wird, wie Nahrungsmittel Entzündungsprozesse im Körper stimulieren oder hemmen können, warum Getreide, Milchprodukte, Zucker und sogar Hülsenfrüchte und Nüsse (die sonst ja empfohlen werden) etwas Problematisches haben und was dagegen alles zu empfehlen ist. Dem entsprechen die über 175 Rezepte im Buch, die alle ihren Reiz haben, auch wenn man nicht aussschließlich der Paleo-Ernährung folgen will.
Es gibt ja Studien, dass Ernährungsvorlieben genetisch angelegt sind. Wenn ich eine Affinität zu dem hier vorgestellten Konzept in mir spüre, würde mir jede Verbissenheit indes nicht gut tun. Auf jeden Fall nehme ich die Rezeptvorschläge sehr dankbar auf.
Dr. Sarah Ballantyne & Alaena Haber: Heilende Küche. Über 175 Paleo-Rezepte gegen Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes und Autoimmunerkrankungen. Unimedica, 339 S., geb., 24,80 €.