Freundschaft schließen mit dem „Unkraut“
Von Irmtraud Gutschke
Dass man aus Haselnüssen Kuchen backen, aus Heidelbeeren Kompott machen und Walderdbeeren einfach nur gezuckert essen kann, jeder weiß es. Bärlauch gibt es inzwischen am Gemüsestand zu kaufen, und Holunderblütensirup wird im Bioladen angeboten. Aber besser ist es natürlich, ihn selbst herzustellen. Wie, erfährt man leicht im Internet. In diesem Buch findet sich anderes: Holunderbeergelee mit Lavendel, frittierte Holunderblüten und Holunderknospen in Stachelbeeressig. Brennnesseltee mit Holunderblüten gegen Heuschnupfen, davon wusste ich noch nichts, will es nun aber unbedingt weiterempfehlen.
Überraschungen sind garantiert bei der Lektüre. Wie viele Pflanzen in Wald und Feld das Sammeln lohnen und was man alles daraus zubereiten kann, bereitet schon beim Lesen Freude. Was unsere fernen Vorfahren für selbstverständlich hielten, war ja lange vergessen. Aus Not haben die Menschen Mehl aus Eicheln hergestellt. Hier aber wird ein koreanischer Eichelgelee-Salat angeboten. Mein Gott, wie raffiniert! Die britische Autorin Liz Knight, mit ihrer Firma auf Wildpflanzen spezialisiert, hat eine Vorliebe für Rezepte, mit denen man bei Gästen Eindruck macht. Hopfensalat mit Borretsch, Zichorie und Blutorange, Margaritensalat, Buchlaub-Ahorn-Likör, gezuckerte Rosenblätter, Kratzdistel-Aperitiv… Ich kann mir vorstellen, welche spielerische Freude allein schon die Zubereitung verspricht.
Mir aber hilft das Buch, mit dem Unkraut im garten Freundschaft zu schließen. Eigentlich dürfte man es ja gar nicht so nennen, weil es doch Nutzpflanzen sind. Wie habe ich mich schon über den Giersch geärgert, weil er durch seine unterirdischen Wurzelausläufer alles überwuchert, wenn man ihm nicht Einhalt gebietet. Aber das kann man eben nicht. Ein Eimer davon ausgegraben und in die Bio-Tonne geschmissen, sorgt nur für besonders lockere Erde, in der er sich umso freudiger ausbreiten kann. Von Giersch-Taboulé und Ofenmöhren mit Giersch-Pesto. Ich füge hinzu, dass man aus Giersch fast alles machen kann: Salat zusammen mit Rucola, Smoothies zusammen mit Mangostücken und eine Gemüsesuppe mit Zwiebeln. Wobei ich zugeben muss: Mein Verbrauch hält dem „Angebot“ nicht stand.
Neben Löwenzahn (den esse ich gleich roh) und Brennnesseln gibt es eine „Überproduktionskrise“ derzeit bezüglich der purpurroten Taubnessel, die wunderschöne Blütenteppiche bildet, aber eben als Unkraut verrufen ist. Dass sie essbar ist, habe ich bislang wirklich noch nicht gewusst und greife die Anregungen gleich dankbar auf.
Hinzuzufügen ist: Dieses edel gebundene Buch ist eine Augenweide. Die Illustrationen von Rachel Pedder-Smith sind naturgetreu genau und zugleich dekorativ.
Liz Knight: Essbare Wildpflanzen. Erkennen, sammeln und zubereiten. Illustrationen von Rachel Pedder-Smith. Laurence King Verlag, 224 S., geb., 24 €.