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Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

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Kommissar Gennat und der Anschlag auf den Orientexpress

Unter Hypnose?

„Kommissar Gennat und der Anschlag auf den Orientexpress“, ein spannender Krimi von Regina Stürickow

Von Irmtraud Gutschke

Die Hauptfigur dieser Krimireihe aus dem Elsengold Verlag gab es wirklich. Ernst August Ferdinand Gennat (1880 – 1939) war ein Beamter der Berliner Kriminalpolizei. Laut Wikipedia arbeitete er mehr als 30 Jahre lang unter drei politischen Systemen als einer der begabtesten und erfolgreichsten Kriminalisten Deutschlands. „Schon zu Lebzeiten Legende und Original gleichermaßen, entsprach er nicht dem klassischen Klischee des engstirnigen preußischen Beamten.“ So hat er bis heute seine Fans, auch dank der Krimis aus dem Elsengold Verlag, von denen jetzt ein neuer erschienen ist.

Regina Stürickow, mit dem schwergewichtigen Kommissar schon lange vertraut, widmet sich einem spektakulären Kriminalfall aus dem Jahre 1931. Es war nicht nur ein Mord im Orientexpress wie bei Agatha Christie, sondern massenhafter Tod in Wirklichkeit, nachdem der Zug bei Biatorbágy in Ungarn entgleiste. Zuvor hatte es in Jüterbog bei Berlin auch ein Zugunglück gegeben, das aber für die meisten Passagiere glimpflich ausging. Also nehmen die Berliner Kriminalisten mit ihren Kollegen in Österreich und Ungarn Verbindung auf. Und nach schwierigen Verwicklungen wird der Täter gefasst.

Auf unterhaltsame Weise in die Geschichte einzutauchen, darauf beruht wohl die Faszination solcher Tatsachenkrimis. Die Autorin zeichnet ein lebendiges Bild vom Jahr 1931, als es zwischen Kommunisten und Nazis schon brodelte. Da hätte manch einer in der Polizei die Anschläge gern den Kommunisten in die Schuhe geschoben. Andererseits gab es gerade in Wien mehrere Pressestimmen, die ein Sprengstoffattentat bezweifelten und stattdessen Schlamperei bei der Bahn vermuteten. Was damals allerdings anders war als heute: Die Polizei arbeitete eng mit der Presse zusammen. Der Reporter Max Kaminski ist Gennats Freund und darf ihn überallhin begleiten. Seine Frau Lissy spielt auch schon mal Detektiv auf eigene Faust.

Die genauen Recherchen der Autorin bildeten indes nur die Grundlage ihrer Kunst. Um aus den Fakten einen Roman zu machen, brauchte es auch Einfallsreichtum. Da muss sich Gennat auch mal ans Klavier setzen und den h-Moll-Walzer von Schubert spielen. Und Kaminski, mal in seiner Küche allein, würde sich gern ein ei kochen, doch weiß er nicht wie es geht. Lissy sieht bei ihrer Rückkehr noch einen Fleck an der Decke.

Was den schließlich Überführten angeht, so hat er viele Ausflüchte parat. Hat er die Tat wirklich unter Hypnose begangen?

Regina Stürickow: Kommissar Gennat und der Anschlag auf den Orientexpress. Elsengold Verlag, 304 S., br., 16 €.

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