Nachdenken mit Kindern
Irmtraud Gutschke
„Woher weiß ich, was du denkst?“ „Bin ich wirklich frei?“ „Was ist der Geist“? Der Band „Wozu eigentlich Philosophie?“ aus dem Verlag Dorling Kindersley ist schon auf dem Titelbild voller Fragezeichen. Also eigentlich nichts für Erwachsene, denen an einfachen Antworten gelegen ist, oder nicht mal das, wenn sie meinen, alles Wissen schon gepachtet zu haben. Aber wetten, dass diese Erwachsenen die vielen Fragen in diesem Buch gar nicht so einfach beantworten können? Und wenn sie es versuchen, kommt wahrscheinlich gleich eine Gegenfrage. Und das ist ein großartiger Effekt, denn damit beginnt ein Gespräch. Wer auch immer diesen Band zur Hand nimmt, ein 100-jähriger Opa oder ein Kind, wird ins Nachdenken gebracht: „Was ist real?“ „Kann man zweimal in denselben Fluss steigen?“ Wie ist es mit der Identität, während wir uns doch verändern? Ja überhaupt: Was ist der Sinn?
Wie geschickt Sam Atkinson, Kelsie Besaw und Pauline Savage – ihre Namen hätten eigentlich verdient, groß auf dem Cover zu stehen und nicht nur ganz klein über dem Impressum – alle möglichen Fragen, die uns kommen könnten, mit den verschiedenen Antworten verbinden, die in der Vergangenheit schon gefunden wurden, ohne dass die Fragen verschwunden wären. So kommt auch die Geschichte der Philosophie ins Buch, wird allerdings nicht chronologisch abgehandelt, sondern im Zusammenhang mit den jeweiligen Problemen, über die hier nachgedacht wird. Freiheit, Gott, Leid, Glück, Glauben und Wissen, Wahrheit und Lügen, Mittel und Zweck, Gleichberechtigung und Macht, Gerechtigkeit, Menschen- und Tierrechte – es ist gut, aber auch anspruchsvoll, wie uns da Freiraum gelassen wird, uns selber zu positionieren.
Das Buch wurde von Karin Hofmann aus dem englischen Original übersetzt. Natürlich schreiben die Autorinnen und Autoren aus ihrem Umfeld heraus. Auch wenn Konfuzius und Zhuangzi vorkommen, ein Buch gleichen Titels in China verfasst, wäre wohl in vielem anders, auch wenn die europäische Philosophie einbezogen wäre. Aber es ist hier eben der große Vorzug, dass keine Dogmen „festgeklopft“ werden, sondern immer wieder Fragen offen bleiben. Es ist ja auch keine durchgängige Erörterung wie in einem Lehrbuch. Mit kurzen Texten und Illustrationen werden Behauptungen und Fragen bewusst gemacht. Manchmal gibt es dazu auch kleine Geschichten, die mit Vorstellungen spielen, mit denen Zehnjährige durchaus schon umgehen können, weil sie sowas zum Beispiel aus Filmen kennen. Wenn zum Beispiel Außerirdische auf die Erde kämen oder wir Zeitreisen unternehmen könnten … Sowieso ist die Fähigkeit, grundsätzlich zu fragen, bei Kindern wohl stärker ausgeprägt als bei der Mehrheit der Erwachsenen, die sich irgendwann ihres Weltbildes sicher sein wollen.
Manchen Erwachsenen mag mitunter der Gedanke kommen, wieviel sie denn überhaupt von ihren Kindern wissen, ob sie vielleicht nur die Oberfläche sehen. Und umgekehrt ist das ebenso. Wenn sie sich gemeinsam dieses Buch anschauen, dann, glaube ich, werden sie einander so nahe kommen, dass allein das schon als etwas Großartiges in Erinnerung bleibt.
Wozu eigentlich Philosophie? Verlag Dorling Kindersley, 128 S. m. zahlr. Illustrationen, geb., 14,95 €.