Liebe, Trauer, Erinnerungen
Irmtraud Gutschke
Wie farbenfroh dieses Buch anzusehen ist! Mit Blumen, einem Drachen, einem Pfau, einem Tiger schon auf dem Einband. Ein kleines Mädchen an der Hand des Großvater, der sie liebevoll anschaut. So hat Allison Colpoys die beiden durch Frühling, Sommer, Herbst und Winter begleitet. Da sieht man sie vor dem Kamin zusammen im Sessel sitzen, und der Großvater verwöhnt die kleine mit selbstgemachtem Spielzeug und indischen Süßigkeiten. „Wenn die ganze Welt aus Geschichten bestünde, könnte ich meinen Großvater gesund machen, einfach indem ich wieder und wieder all den Geschichten lauschen würde, die er zu erzählen hat“, heißt es zwei Seiten später. Und wenn wir dann umblättern, ist der Sessel leer, und das kleine Mädchen schmiegt sich weinend an ihre Mutter. An dieser Stelle hätte ich selbst beinahe geweint.
„Für allen, die jemanden vermissen“, schreibt er britische Dichter Joseph Coelho in der Widmung zu diesem Buch. Schon für Kinder ab drei ist es gedacht, am besten wohl für solche, die schon einen geliebten Menschen verloren haben. Wenn sie so klein sind, denke ich, sollte man mit ihnen über den Tod erst dann sprechen, wenn es an der Zeit ist oder wenn sie selbst danach fragen. Dann aber muss man Antworten haben, die sich in diesem poetischen Buch tatsächlich finden. Der Großvater hat nämlich auf seinem Sessel ein Buch für die Enkelin hinterlassen, „gemacht aus selbstgepresstem Papier mit Frühlings-Blütenblättern und vor kurzem zusammengebunden mit einem Stück Leserband. Vorne drauf steht mein Name. das Buch ist neu und leer … Also schreibe und male ich all meine Erinnerungen an Großvater in das Buch hinein …“ Und so wird alles wieder lebendig, was sie zusammen erlebt haben. Für Momente wird der Schmerz von Glück überstrahlt.
Joseph Coelho & Allison Colpoys: Wenn die ganze Welt … Aus dem Englischen von Kathrin Köller. Insel Verlag, 32 S., geb., 15,90 €.