Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Tschingis Aitmatow: Akbara und andere Märchen

Wie die Tochter eines Khans zur Wölfin wurde

Irmtraud Gutschke

Magie der Sprache: Schließlich ist Literatur, wie wir sie kennen, aus dem Mündlichen entstanden. Diese Faszination  können wir beim Vorlesen zurückholen. So wie die fahrenden Sänger einst auf Bezauberung aus gewesen sind. „Alles ist im Wort“, hat der weltberühmte kirgisische Schriftsteller Tschingis Aitmatow immer wieder zu mir gesagt. Als Sohn gebildeter kommunistischer Eltern, erlebte er bei seinen Verwandten im Gebirgsort Scheker in eine archaische Welt. „Sie konnten nicht lesen und schreiben, aber sie waren weise …“   

Nicht der erste und nicht der letzte Schriftsteller war er, der durch die Großmutter zum Erzählen kam. Drei Geschichten für seine Kinder hat er seinem Übersetzer Friedrich Hitzer anvertraut. „Akbara und andere Märchen“: Edel wirkt die Ausgabe aus dem Unionsverlag, gebunden in farbig bedrucktes Leinen. Lesealter? Von fünf bis unendlich.

Kinder werden vom Märchenhaften gepackt sein. Erwachsene dürften manch bekanntes Motiv wie  auch das spezifisch Kirgisische genießen. Mit umso größerem Gewinn, wenn sie Aitmatows Romane kennen. Akbara hieß ja die blauäugige Wölfin im Roman „Die Richtstatt“.  Hier ist es die schöne, kluge Tochter eines Khans, in Liebe einem armen Sänger verbunden. Wie perfide, dass der Großkhan gerade ihn zum Brautwerber macht. Akbara will nicht die vierte Frau des grausamen Herrschers werden. Sie treibt ihr Pferd durch den Balchaschsee. Und als der einstige Liebhaber vor ihr auf die Knie sinkt, verwandelt sie sich in eine Wölfin. Wie sich Frauen immer wieder wehren mussten und was es mit derlei Legenden auf sich hat – darüber will ich mit meiner Enkelin beim Vorlesen sprechen.

„Das Glück der drei armen Mädchen“ erinnert an „Hänsel und Gretel“, aber Böses wird hier mit Gutem vergolten. Die Kinder bringen den Eltern eine Schafherde, geschenkt von einer Äffin, die in einer Jurte wohnt. So witzig erlebte man Aitmatow sonst kaum. In der dritten Geschichte, „Das Äffchen mit der Schultasche“, lässt er sogar seine Kinder mitspielen. Köstlich, wie er sie zum Englisch-Lernen überredet.

Tschingis Aitmatow: Akbara und andere Märchen. Aufgezeichnet und aus dem Russischen von Friedrich Hitzer. Unionsverlag, 80 S., Leinen, 16 €.

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