Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Sam Usher: Wetter

Das Recht der Phantasie wider den Alltagsernst

Von Irmtraud Gutschke

Ein kleiner, unternehmungslustiger Junge und ein schon älterer Mann, der gern Zeitung liest, wenn es draußen nass ist. Sam Usher aber, der die beiden malte, nimmt die Vorschläge ernst, die das Kind macht. „Man kann Regentropfen mit der Zunge fangen, in Pfützen springen und sich darin betrachten.“ Warum nicht? Warum sind wir Erwachsenen oft so zugeknöpft?

Der Opa bei Sam Usher geht mit dem Enkel schließlich doch in den Regen, und es ist ihm, als ob sie mit einer Gondel durch Venedig fahren würden. Und auch vom Sturm darf er sich nicht abschrecken lassen, obwohl es nicht so einfach ist, den Drachen zu finden, der irgendwo verkramt ist. Die beiden werden ziemlich durchgepustet, und irgendwann ist ihnen, als ob sie selber fliegen würden. Und dann schneit es so sehr, dass sich der Opa Sorgen wegen der Kälte macht. Aber was hilft’s, der Junge lockt ihn hinaus. „Wir spielten ALLES, was man im Schnee spielen kann.“ Und Opa hatte „auch seinen Spaß, glaube ich.“ Also geht es bei größter Sonnenhitze auch hinaus zum Picknick. Immer mal wieder bittet der Großvater um eine Pause, doch er ist tapfer. „Die Sonne brannte vom Himmel.“ Doch da sind sie in einer Höhle tatsächlich auf ein Piratenschiff gestoßen. „Man weiß vorher nie, was man findet. Man muss nur die Augen offenhalten.“ Da hat Opa sicher Recht. Schlechtes Wetter gibt es nicht, wenn man für Abenteuer offen ist.

Die vier bunten Bilderbücher aus der Kassette „Wetter“ von Sam Usher werden Kindern ab vier gefallen, weil sie so voller Ideen, voller Fröhlichkeit sind. Eltern und Großeltern können sich an dem Opa ein Beispiel nehmen. Nicht immer so ernst sein, lockerer, mich ganz darauf einlassen, was das Enkelkind sich so denkt, nehme ich mir vor. Ich versuche es ja und mitunter gelingt es mir sogar. Und dann fühle ich mich selber besser, weil ich die Alltagsforderungen von mir abgestreift habe, mich der Phantasie öffne, die ich ja immer noch in mir habe.

Sam Usher: Wetter. Vier Bilderbücher im Schuber. Annette Betz Verlag, 19,95 €.

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