Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Oliver Schlick: Die Erpressung des Soßen-Königs

Reif für eine Netflix-Serie

Irmtraud Gutschke

Köstlich! Filmreif! Was für eine herrliche Krimikomödie, vortrefflich gestrickt nach dem Muster des klassischen englischen Detektivromans. Wunderbare schräge Situationskomik, so überdreht, dass es für Erwachsenen schon zur Satire wird – auf ein Genre, das sie natürlich kennen. Aber vom Verlag ist das Buch als Jugendroman deklariert, als sechster Band der Serie „Rory Shy. Der schüchterne Detektiv“. Erzählt wird, wie vorher schon aus der Sicht von Mathilda Bond, die nunmehr 13 ist und für Rory Shy nach wie vor unverzichtbar als Assistentin. Denn schüchtern, wie er ist, würde er es nicht über sich bringen, Verdächtige zu befragen. Begleitet wird Mathilda, wie immer von Doktor Herkenrath, ihrem rülpsenden und fiependen Cockerspaniel, den sie nach ihrem Kinderarzt nannte. Und wir kennen auch Frau Zeigler schon, die auf Mathilda aufpassen soll, während ihre Eltern als Tierfilmer auf Expedition sind.

Ihr immer mal wieder Lügengeschichten aufzutischen, kommt Mathilda nicht umhin. Aber die Verabredung mit Dany Bekono braucht sie ihr nicht zu verschweigen. „Kein Date“, wie sie nicht versäumt zu betonen. Dann jedoch lädt Dany sie ins Theater ein. Und das Musical „Mörderische Ehefrauen“ ist als ein solcher Schmarren beschrieben, dass es dem Autor wohl selber das Lachen kam. Entsprechend hat der Verlag die Buchseiten mit Noten verziert, und im Laufe der Handlung kommen Mathilda immer mal wieder Liedtexte in den Sinn, läppische Reimereien, hier kursiv gedruckt.

Dass während der Vorstellung eine junge Schauspielerin auf offener Bühne von einem Mann mit vorgehaltener Pistole entführt wird, erwachsene Krimi-Kenner könnten sich gleich einen Reim darauf machen, zumal Kimberly Königs Vater ein schwerreicher Fabrikant ist, berühmt durch seine Fertig-Soßen. Eine Entführung mit Lösegeldforderung also. Nicht ungewöhnlich, dass der Täter verkleidet war. Doch möge niemand glauben, den Fall schon auf Seite 54 gelöst zu haben. Erst einmal geht es rund im goldenen Schloss des Soßen-Königs, der vor lauter Wut mit goldenen Saucieren um sich wirft, sodass „Jägersoße, Pfeffersoße, Balkansoße“ von den Wände tropfen. Denn der Preis für das Leben seiner Tochter ist sein geliebter Karfunkel-Rubin. Und Doktor Herkenrath hebt an einer goldenen Säule das Bein …

Wie man das alles vor sich sieht und wie köstlich man sich amüsiert. Zumal Rory Shy bei aller Schüchternheit und seinem dauernden „Ähm“ und „Öhm“ überragende geistige Fähigkeiten hat. Da musste ich an Monk aus der gleichnamigen Netflix-Serie denken. Eine Krimi-Serie! Oliver Schlicks Einfälle wären es wert.

Oliver Schlick: Rory Shy. Der Schüchterne Detektiv. Die Erpressung des Soßenkönigs. Ueberreuter, 303 S., geb., 16 €.

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