Auf den Spuren von Angelica Facius
Mit Maja Brodrecht auf Streifzügen durch Weimar
Von Irmtraud Gutschke
„Heute dachte ich auf dem Schulweg, es müsste doch ein Fach geben, in dem wir uns selbst Aufgaben stellen dürften…“ Gar keine schlechte Idee. Die Schülerin Angela jedenfalls hat ihre Aufgabe gefunden, nachdem sie während des Hochwassers 2013 in Weimar im Ufergestrüpp ein offenbar herangespültes Stück Metall entdeckte. Eine alte Münze? Nein, eine Medaille, wie sich nach Recherchen im Internet erwies. Friedrich Schiller zu Ehren. Unter seinem Kopf, fast versteckt eine Signatur: „Ang. Facius F. und KOENIG“. Die würde Angela fortan so beschäftigen, dass sie ganz ausgefüllt davon ist. So ist dieses Buch für Kinder ab 12 von einem leuchtenden Glück durchströmt. Forscher spüren es und auch Schriftsteller. „Das geliebte Thema“ fesselt und führt zugleich in ungeahnte Weiten. Erhoben über dem Alltag, lässt man womöglich aber Menschen zurück …
Ein Glück, dass Angelas Familie so liebevoll Anteil nimmt. Mutter und Großmutter begleiten sie bei ihren Erkundungen, der Vater schenkt ihr eine Kassette womöglich für weitere Medaillen. Weil sie ihrem Bruder Tim damit eine Freude macht, beginnt auch der sich für Angelica Facius zu interessieren. So viel Harmonie ist selten in einem Kinderbuch, aber im wirklichen Leben gibt es sie durchaus. Junge Leser werden mitgenommen auf einen Spaziergang durch Weimar: zum Schillerhaus und zum Historischen Friedhof, ins Stadtarchiv und ins Schloss (die Flügeltüren im Conseilsaal muss ich mir unbedingt ansehen, wenn ich wieder mal in meiner einstigen Heimatstadt bin), in die Anna-Amalia-Bibliothek und ins Goethe-Nationalmuseum. Dort unter dem Dach, im „Schiffchen“, wo Goethes Sohn August früher wohnte, trifft sie eine Kunsthistorikerin, die ziemlich genau über Angelica Facius Bescheid weiß.
Ob sich die Autorin dieses Buches in dieser jungen Frau wohl selbst porträtierte? Maja Brodrecht, 1980 in Berlin geboren, hat 2016 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena über Angelica Facius promoviert. Acht Jahre hat sie in Weimar gelebt und wohnt jetzt, nach einer Anstellung in Berlin, wieder dort. Eine zweibändige Dissertation – daraus ein Kinderbuch zu machen, ist wohl ein Wagnis. Doch es ist gelungen. Woran sie selber jahrelang gearbeitet hat, darf eine Schülerin in nur 19 Tagen erkunden, in die natürlich auch allerhand andere alltägliche Erlebnisse mit einfließen. Das liest sich gut, braucht allerdings junge Leserinnen und Leser, die ein wenig wie Angela sind.
Maja Brodrecht: Die Medaille in Goethes Gartensee. Illustrationen von Marie Papuaschwili. Books on Demand, 120 S., brosch., 7,50 €.