Einladung in den Zauberwald
Irmtraud Gutschke
Eine Elfentür? Vielleicht wundern sich Eltern und Großeltern darüber, aber ihr kleinen Töchter oder Enkelinnen werden verstehend nicken. Natürlich wissen sie, was Elfen sind. Sie kennen sich ja auch unter Einhörnern aus und haben vielleicht gar eines aus Plüsch. Die Märchenwelt mit ihren verschiedenen Gestalten ist ihnen näher als Erwachsenen. Warum sollte das denn nicht so sein.
„Hinter der Elfentür“ ist das erste Bilderbuch von Lars van de Goor. Und tatsächlich sind es die Bilder, die einen faszinieren, bevor man sich überhaupt den Text zu Gemüte führt. Dass es eine sehr detailreiche, romantische Malerei sei, will es einem scheinen. Doch Irrtum: Es sind Fotos, für die sich der niederländische Künstler in der Tat von der Romantik inspirieren ließ, die er aber offensichtlich auch digital bearbeitete. Und dann kamen noch zwei Frauen ins Spiel: Die Italienerin Guilia Tomai hat Figuren in die Fotos hineingemalt, und Gabby Dawnay hat eine Geschichte dazu geschrieben. Das ist ein etwas ungewöhnlicher Arbeitsprozess. Zuerst ist ja gewöhnlich die Geschichte da. Wobei Lars van de Goors preisgekrönte Bilder ja allein schon vom Geheimnisvollen leben und man sich fragt, ob sie nicht für sich hätten stehen können. Aber etwas musste ja auch dazu erzählt werden. Und der Prestel Verlag hat das Buch nach der englischen Originalausgabe gedruckt.
„Sie haben keine Zeit innezuhalten, keine Zeit, um die kleinen Dinge zu beachten“ – mit diesen Sätzen benennt Gabby Dawnay etwas für die Gegenwart ganz Wesentliches: die Hast, die Hektik, die allgegenwärtige Nervosität der Erwachsenen, die Kindern so sehr zuwiderläuft. Die für sie möglicherweise aber auch ansteckend ist. Eine Wahrnehmungskrise: Alle sind „viel zu beschäftigt“, weshalb sie vieles nicht bemerken, was eigentlich wichtig wäre.
Das ist die Botschaft für Erwachsene. Für Kinder, kleine Mädchen wohl vor allem, öffnet sich durch die „Elfentür“ ein Zugang zum „Zauberwald“. Die niedlichen kleinen Elfen, die Guilia Tomai darin herumfliegen ließ, sind aus meiner Sicht zu gegenständlich für diesen fantastischen Entwurf. Aber Kinder ab vier, für die das Buch gedacht ist, werden dies wahrscheinlich nicht so kritisch betrachten, sondern es als Märchen nehmen. Dass Lilly in ihrem Dorf eine winzige „Elfentür“ entdeckt, damit beginnt ja ein fantastisches Abenteuer. Dass aus Samen Pflanzen wachsen, die Sonne und Wasser brauchen, werden Kinder wahrscheinlich schon wissen. Lilly bringt von den Elfen auch solche Samen mit und kann ihre Freundinnen und Freunde zum Graben, Pflanzen und Gießen bewegen. „Dass niemand zu klein ist, um seinen Beitrag zum Wohl unseres Planeten zu leisten“ – diese etwas didaktisch anmutende Aussage ist aufs Cover gedruckt. Mir gefällt ein anderer Satz besser. Auf Lillys Frage, ob sie sich verirrt habe, meint die Elfe: „Das mag schon sein …. Doch sich zu verirren, ist Teil des Abenteuers.“
Lars van de Goor, Guilia Tomai, Gabby Dawnay: Hinter der Elfentür. Prestel Verlag, 32 S., geb., 18 €.