Das Streitobjekt
Von Irmtraud Gutschke
Warum gehen Schafe und Ziegen plötzlich so erbittert aufeinander los, nachdem sie in einem versteckten Tal mitten in den Bergen so lange friedlich zusammengelebt hatten? Das ist eine Frage, die sich auch bei manchen Staaten stellt. Wenn es etwas gibt, auf das beide Seiten Anspruch erheben, entsteht eine verfahrene Situation. Und das Streitobjekt ist dann nicht mehr nur real, sondern wird gleichsam umhüllt von einer Aura der Gefühle. Es wird zum Fluch für beide Seiten.
Für dieses Imaginäre hat Helga Bansch einen sinnfälligen Ausdruck gefunden. Was da eines Morgens auf der Wiese lag, war „etwas unglaublich Schönes“, für das die Tiere erst einmal keinen Namen hatten. Der Ziegenbock nannte es „Pu“, der Hammel „Pupu“, und sie versuchten sogar eine Weile, sich gemeinsam daran zu erfreuen. Erst einmal sind es kleine Anlässe, die für Unstimmigkeiten sorgen. Wie diese eskalieren zum erbittertem Streit, hat Helga Bansch sinnfällig gemacht.
Sie ist ja Autorin und Illustratorin zugleich. In sanften Farben malt sie Tiere, die an sich arglos und freundlich sind. In welchem Interesse war es wohl, sie so gegeneinander aufzubringen? Unerlaubte Frage, dies ist ein Kinderbuch, in dem schließlich doch das gemeinsame Interesse siegt, sich gegen den Wolf zu schützen. Dass Streit niemandem nützt, werden Drei- bis Fünfjährige wohl verstehen und hoffentlich die Lebensweisheit dieser großartigen österreichischen Künstlerin für später in Erinnerung behalten.
Helga Bansch: Der Pupu. Verlag Jungbrunnen, 32 S., geb., 16 €.