Wunderbare Welt der Fabelwesen
Von Irmtraud Gutschke
Durch die Seiten eines Buches ist doch auch Bastian Balthasar Bux aus der Unendlichen Geschichte in das Land Phantasia gelangt. Sein treuer Begleiter, der Drache Fuchur, hat im Film einen Kopf wie ein freundlicher weißer Bernhardinerhund. Denn ein echter Glücksdrache würde uns eher erschrecken. Den gibt es aber wirklich in der chinesischen Mythologie. Shenlong, der heilige Drache, ist ein majestätisches, hilfreiches Wesen, mit schimmernden blauen Schuppen bedeckt. Dadurch ist er schwer zu erkennen, wenn er über den Himmel schwebt. Unbedingt muss man ihm Respekt entgegenbringen, sonst bleibt der so wichtige Regen aus.
„Mythopedia. Die Welt der Fabelwesen und ihrer magischen Geschichten“ – geradezu euphorisch werden lässt einen dieser Band, der über alle Kontinente führt. Es beginnt mit Quetzalcoatl, der gefiederten Schlange aus der Überlieferung der Azteken, diesem Gott des Lichts und des Windes, der die heutigen Menschen erschuf, und endet mit Abaia aus der Mythologie Melanesiens, einer Inselgruppe im südwestlichen Pazifik. Dabei handelt es sich um einen riesigen Aal, der alle Tiere eines Sees beschützt. Weil er sie als seine Kinder betrachtet, bestraft er alle, die ihnen Böses tun. Im Märchen „Der Abaia und die alte Frau“ wird so auf der Insel Fidschi ein ganzes Dorf vernichtet. Nur eine alte, weise Frau kann überleben.
In vielen Mythen und Legenden sind es interessanterweise Tiere, die Menschen zur Achtung gegenüber der sie umgebenden Natur ermahnen. Sie kommen ihnen zu Hilfe wie der Donnervogel als mächtiges Totemtier der Ureinwohner Nordwestamerikas. Sie sind aber auch Verkörperung von Ängsten. Wie Zerberus, der dreiköpfige Wachhund der Unterwelt in den altgriechischen Sagen, von Herakles besiegt wurde, ist hier zu lesen. In der nordischen Mythologie stiftet Ratatoskr, ein boshaftes rotes Eichhörnchen, Unruhe, indem es Gerüchte streut. In Westafrika war es die Spinne Anansi, die den Menschen die Geschichten brachte. Und die Chinesen verehren seit jeher Fenghuan, den geheimnisvollen schönen Vogel des Friedens und der Freude. 37 solcher Fabelwesen sind in diesem großformatigen Buch nicht nur erklärt, sondern auf eine selbst schon fabelhafte Art in leuchtenden Farben auch gemalt. Good Wifes and Warriors – hinter diesem rätselhaften Künstlernamen verbergen sich zwei junge Frauen aus Großbritannien, Becky Bolton und Louise Chappell, die das Buch zum Kunstwerk gemacht haben. Es sei perfekt für Gute-Nacht-Geschichten und für Schulprojekte, meint der Verlag. Schon Zehnjährige werden es mögen, mehr noch werden es vielleicht ihre Eltern und Großeltern schätzen können.
Good Wives and Warriors: Mythopedia. Die Welt der Fabelwesen und ihrer magischen Geschichten. Text Anna Claybourne. Aus dem Englischen von Sarah Pasquay. Laurence King Verlag, 128 S., geb., 20 €.