Genial und fruchtbar
Ein Kinderbuch mit Musik über Johann Sebastian Bach
Von Irmtraud Gutschke
Kann man sich vorstellen, dass ein 10,11-Jähriger dem älteren Bruder einen Packen Noten stibitzt, um sie heimlich abzuschreiben? Aus lauter Musikbegeisterung. Der Bruder, ärgerlich, konfisziert die Abschrift, doch ein paar Tage später spielt das Kind die Stücke auf Klavier. Beim Abschreiben eingeprägt. Die Rede ist von Johann Sebastian Bach in einer Zeit, die der unsrigen nicht gleicht und doch manche Ähnlichkeit hat, aber dazu später. Im kühlen März 1700 wandert er mit seinem Freund von Ohrdruf nach Lüneburg, um Sängerknabe zu werden. 350 Kilometer zu Fuß – zwei Wochen sind sie unterwegs. Später nochmals so ein Fußmarsch. Während seines ersten Urlaubs als Organist in Arnstadt läuft er 400 Kilometer nach Lübeck, um in der dortigen Marienkirche die Abendmusiken von Dietrich Buxtehude zu hören.
Zusammen mit ihren Eltern mögen Kinder ab 5 staunen über dieses Leben, das ganz der Musik – und wohl auch der Liebe – gewidmet war. Welche Begabung, welche Leidenschaft – fast will es einem scheinen, als ob solches Talent und solches Feuer verschüttet seien in der Vergangenheit. Was allerdings ganz heutig ist in Bachs Leben: Als freier Künstler muss er sich verdingen, was ihn unfrei macht und ihn zum Reisen zwingt, falls er den Launen eines Superintendenten oder, schlimmer noch, eines Fürsten nicht genügt. Aus Arnstadt verschlägt es ihn nach Mühlhausen. In Weimar dann hat er den alten Herzog Wilhelm Ernst erzürnt, der in der Musik etwas Ernstes, Heiliges sah. Weil Bach für den jungen, aufstrebenden Herzog Karl August fröhliche Tanzmusik schrieb, wird er sogar eine Zeitlang eingesperrt. Hat er in der Landrichterstube tatsächlich Noten in die Gefängniswände geritzt?
Wie treibt es ihn umher: nach Köthen , wo die Fürstin für seine Musik leider keinen Sinn hat, dann nach Leipzig, wo er Thomaskantor wird. Und als hätte er sich mit der Uraufführung seiner „Matthäus-Passion“ dort 1727 dort nicht ewige Ehren verdient, folgt wieder ein Umzug: In Dresden wird er 1736 „Kurfürstlich-Sächsischer Hofcompositeur“.
Als er mit 65 Jahren stirbt, hat er 17 Kinder gezeugt – vier mit seiner ersten Frau Maria Barbara, die jung verstarb, 13 mit Anna Magdalena, die er ein Jahr später geheiratet hat. Und sein Werkverzeichnis umfasst sage und schreibe 1100 Stücke. 27 davon sind ausschnittsweise auf einer CD zu hören, die dem Buch beiliegt, wodurch es zu etwas ganz Besonderem wird. Mein Rat: sich erst mit dem gedruckten Text befassen, denn wenn man die Begleit-CD hört, erübrigt sich das Lesen. Der Buch-Text von Ernst A. Ekker wird dort nämlich, verbunden mit besagten Musikstücken, eins zu eins von Dietmar Wunder dargeboten. Ein eigener Text, womöglich auch kürzer zugunsten der Musik, für die CD wäre gut gewesen.
Ernst A. Ekker: Johann Sebastian Bach. Leben und Werk des großen Komponisten. Illustrationen Anna-Lena Kühler. Begleit-CD mit Musik, gesprochen Dietmar Wunder. Annette Betz Verlag, 40 S., geb., 22,95 €.