Lustige Einfälle, ernster Hintergrund
Von Irmtraud Gutschke
Eine Oma, die wie ein Küken aus einem Ei kriecht, das muss einem erst einmal einfallen. Der Buchtitel macht neugierig. Schon auf den ersten Seiten aber merkt man, dass es der Autorin nicht nur um Spaß gegangen ist. Elias, sieben Jahre alt, ist nämlich das Kind zweier anderweitig beschäftigter Eltern. Der Vater kreiert Computerspiele, die Mutter, Restauratorin, ist gerade in Büchern über Schlösser vertieft. Schön, dass die beiden beruflich so kreativ sein können. Die Kehrseite ist, das weiß Iva Procházková womöglich gar aus eigener Erfahrung: Man ist so vertieft in die eigenen gestalterischen Phantasien, dass man wie in einem Kokon lebt. Sogar einem Kind kann es geschehen, dass es da zweitrangig wird.
Elias wird nicht vernachlässigt, alles wird für ihn getan, was nötig ist. Aber darüber hinaus fehlt ihm Aufmerksamkeit. Wie gut wäre es da, eine Oma zu haben, die aus Zucker Karamellbonbons macht, was den Eltern nicht verraten werden soll. Oder einen Opa, mit dem man heimlich eine Steinschleuder basteln kann. Aber Mutter und Vater von Elias haben keine Eltern mehr. Da ist es wie ein Märchen, dass er im Park dieses geheimnisvolle Ei und eine klitzekleine Oma ihm entsteigt, die wie ein Baby erst einmal sprechen lernen muss. Ein hellblaues Kleid hat sie an und eine dunkelblaue Schürze, aber die Füße sind nackt. Wo bekommt man Strumpfhosen und Schuhe her?
Der Junge hat nun keine Zeit mehr für Langeweile, zumal er die Mitbewohnerin vor den Eltern verbergen muss. Kuriose Dinge geschehen. Am besten gefiel mir der Tanz auf der Fernbedienung. Die Oma wird keine Karamellbonbons herstellen, so viel sei verraten, aber Elias‘ Probleme werden sich auf andere Weise lösen. Ein schönes Buch für Erst- und Zweitklässler, überraschend bis zum Schluss.
Iva Procházková: Elias und die Oma aus dem Ei. Mit Illustrationen von Marion Goedelt. Mitarbeit an der deutschen Fassung Anna Pokorny, Verlag Jungbrunnen, 119 S., geb., 15 €.