Von Liebe und Mut
„Dulcinea im Zauberwald“, ein Märchen von Ole Könnecke
Von Irmtraud Gutschke
Großartig und gar nicht so weit hergeholt das Bild, wie ein kleines Mädchen mit drei Luftballons in der Hand und ganz ernsten Gesichts durch hohes Gras auf den Wald zuläuft. Die drei Luftballons trägt Dulcinea, weil sie Geburtstag hat, und in den Wald geht sie, weil der Vater vom Blaubeeren-Sammeln nicht zurückgekommen ist. Mutig entschlossen übertritt sie ein Verbot. Weil im Wald eine böse Hexe ihr Unwesen treibt, hat sie dem Vater versprochen, niemals dorthin zu gehen. Aber was soll sie machen?
Tatsächlich sind kleine Kinder zu fast unglaublicher Entschlossenheit fähig, wenn sie um ihre Eltern fürchten. Beim Lesen dieses zauberhaften Märchens sehe ich noch vor mir, wie sich meine kaum dreijährige Enkelin an überfülltem Strand auf den Weg machte, die Mama zu suchen, die ihr gesagt hatte, sie käme gleich wieder. Ich lief hinter ihr her, ohne dass sie es merkte. Aufhalten hätte ich sie nicht können. Meine Tochter nahm sie in die Arme.
So wie es der Vater auch mit seiner Tochter tut, die es tatsächlich geschafft hat, seine Verwandlung in einen Baum rückgängig zu machen. Mutig aus Liebe und findig dazu ist Dulcinea. Wie sie sich der Angst nicht ergibt und sich sogar zum Schloss der Hexe aufmacht – im Gebüsch platzt ihr ein Luftballon nach dem anderen – , wie sie ihr in höchster Gefahr durch eine List das Zauberbuch entwendet, ist in kappen Texten erzählt und treffend ins Bild gesetzt.
Was wäre passiert, wenn die böse Hexe nach dem Vater auch das Kind verzaubert hätte? Niemand hätte sie retten können. Aber so wollte Ole Könnecke seine Geschichte nicht ausgehen lassen. Und wo ist eigentlich die Mama, wird meine Enkelin fragen, wenn ich ihr das Buch vorlese. Aber vielleicht muss sie dazu auch noch ein jahr älter werden.
Dulcinea im Zauberwald. Ein Märchen von Ole Könnecke. Hanser, 64 S., geb., 16 €.