„Die Erwachsenen sind schon merkwürdig“
„Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry in einer einzigartigen Gestaltung
Irmtraud Gutschke
Mit einem Motorschaden über der Sahara beginnt es. Dem Piloten bleibt nichts anderes übrig, als selbst eine Reparatur zu versuchen. Aber sein Trinkwasservorrat reicht nur für acht Tage. Am ersten Abend war er erschöpft eingeschlafen, und am Morgen hörte er ein freundliches Stimmchen: „Bitte, zeichnest du mir ein Schaf?“ Mit dem Zeichnen hatte der Ich-Erzähler als Kind unangenehme Erfahrungen gemacht. Die Erwachsenen verstanden einfach nicht, dass da eine Riesenschlange einen Elefanten verschluckt hatte, und ihn angewiesen sich mit ernsteren Dingen zu beschäftigen. Ja darum geht es eigentlich in dieser berühmten Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry: um Phantasie und Einfühlung, die beim Erwachsenwerden verloren gehen können.
So muss der „kleine Prinz“ auf den Ich-Erzähler zunächst seltsam wirken. Offenbar stammt er von einem anderen Planeten. Tatsächlich kommt er von einem kleinen Asteroiden und hat auf seiner Reise zur Erde schon allerlei Typen gesehen: Machtgierige, Eitle, depressive Säufer, einen Geschäftsmann, der Sterne zählt wie seinen Besitz, einen Laternenanzünder, der sich verausgabt, indem er sinnlose Befehle ausführt, schließlich einen Wissenschaftler, der dicke Bücher schreibt, aber von der Blume nichts weiß, die der kleine Prinz auf seinem Asteroiden zurückgelassen hat. Nun spürt er, wie er sie eigentlich liebt.
Und dann als siebente Station seiner Reise: die Erde, wo es all diese im Grunde traurigen Existenzen ebenso gibt, nur in noch viel größerer Zahl. Nachdem er sehr lange durch Sand, Felsen und Schnee gelaufen war, kam er in einen riesigen Rosengarten. Und wieder erinnerte er sich an seine Rose …
Tiere treten auf: eine Schlange, die schicksalhaft für ihn werden würde, ein Fuchs, der gezähmt werden will. Was wohl das wichtigste im Leben ist, darüber denken wir zusammen mit dem Autor nach. Schönheit, Fürsorge, Liebe … Das Eigentliche. „Augen sind blind. Man muss mit dem Herzen suchen.“
Voller Zitate, die einem in Erinnerung bleiben, ist dieses Buch. Herzerwärmend. „Die Erwachsenen sind schon merkwürdig“, heißt es mehrmals. Das stimmt wohl. Ich auch?
Ein Klassiker der Weltliteratur: Erstmals wurde das Werk 1943 in New York veröffentlicht und hat zahlreiche Ausgaben erlebt. Von 140 verkauften Exemplaren ist die Rede. Auch die Zeichnungen des Autors selbst wurden berühmt. Viele werden das Buch zu Hause haben. Aber diese neue Edition ist zu etwas ganz Besonderem geworden. Schon mit ihrem Einband und dann mit Illustrationen von Claudia Bordin hält sie die Blicke fest. Eigentlich sind es mehr als Illustrationen. Der Italienerin liebt wunderbare Märchenwelten. Hier nun ist ihr eine Gesamtgestaltung gelungen – mit großen und kleinen Bildern, Ornamenten und Rahmen für die einzelnen Seiten.
Der Zauber des Werkes liegt auch in den Geheimnissen, von denen es umgeben ist. Ich lese darin untergründig auch Gedanken an den Tod und denke daran, dass Antoine de Saint-Exupéry seinen jüngeren Bruder verloren hat, der mit 14 Jahren an einer rheumatischen Erkrankung starb. Ist er als kleiner Prinz in Gedanken zuz ihm zurückgekehrt? Der Ich-Erzähler im Buch muss in der Wüste notlanden und blieb am Leben, der Autor stürzte nur wenig später auf mysteriöse Weise mit seinem Flugzeug ab und fand den Tod. Absichtsvoll ließ sich der kleine Prinz von einer Schlange beißen, damit er zu seinem Planeten, zu seiner Blume, zurückkehren könnte.
Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz. Illustrationen von Claudia Bordin. Textadaption Valeria Manferto De Fabianis. Übrsetzung Katharina Schmid. Verlag White Star Kids. 80 S., geb., 16,95 €.