Chaos und Ordnung
Von Irmtraud Gutschke
Von den Kinderbüchern des Jahres 2021 dürfte dies das farbenprächtigste sein. Der in Frankfurt (Oder) lebende Künstler, der eigentlich Hans Georg Barber heißt, kommt mit ganz wenig Worten aus und lässt vor allem seine leuchtenden Bilder sprechen. Man merkt, wie viel Freude er hatte, sie zu Papier zu bringen, zumal es für ihn auch einen „kleinen Piraten“ namens Emil gibt, dem er das Buch gewidmet hat – zusammen mit einem bildhaften Zitat des kleinen Maulwurfs von Zdenek Miler, mit dem wir alle in der DDR großgeworden sind. Weniger anerkannt war, dass manchmal – oder gar immer? – etwas chaotisch zugeht. Die akzeptierte Lust am Chaos kam eigentlich erst mit Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“. Mit Bedacht hat ATAK das Buch in das unaufgeräumte Kinderzimmer gelegt, mit dem seine Geschichte beginnt. Aus dem Spiel mit Piratenfiguren wird nämlich Wirklichkeit. Während der Junge im Haus noch mit seiner Spielzeugente spricht, schleichen gefährliche Gestalten durch den Garten – „draußen“, „fern“, „leise“, „laut“ und schließlich „drunter und drüber“. Beinahe hätten sie das ganze Haus zum Einsturz gebracht. Da muss nun aber doch Ordnung und Licht ins Durcheinander.
Die herrliche Bilderflut mag niemanden dazu verleiten, das Ganze nur für ein simples Wimmelbuch zu halten. Drei- bis Fünfjährige werden ihren Spaß haben am Entdecken, aber die vielschichtigen gedanken hinter der Geschichte können sich wohl nur Erwachsenen erschließen. „Ein auf herrlich altmodische Weise »interaktives« Bilderbuch mit Pop-up-Element, mit dem die Kinder eine verkehrte Welt für sich sortieren und ein Abenteuer individuell ausschmücken können“, lobt der Verlag. Schließlich kommen Emil und Ente doch nicht umhin, in ihrer Umgebung aufzuräumen. Und dabei finden sie sogar noch einen Schatz.
ATAK: Piraten im Garten. Kunstmann Verlag, 48 S., geb., 20 €.