Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

„Kamfu mir helfen?“

Und was wird nun mit der Fliege?

Von Irmtraud Gutschke

Korrekt müsste es ja „Kannst du“ heißen, aber der Elefant im Buch kann nur undeutlich sprechen, weil er „in schnellem Lauf“ gegen eine Mauer geprallt ist. „Da sitzt er nun und schaut ganz dumm, denn seine Nase ist ganz krumm.“ Zu den skurrilen und doch kindgerechten Bildern von Dirk Schmidt hat sich seine Frau Barbara eingängige Reime ausgedacht. Im Internet wird dem Elefanten (über ihn gab es bei Kunstmann schon das Buch „Wie werd ich bloß den Hickauf los?“) eine Popularität wie dem „kleinen Maulwurf“ prophezeit, was wohl erst einmal übertrieben ist. Aber wie der Maulwurf ist er mit Ameisenbär, Schwein und Fliege von Tieren umgeben, die verlässliche Freunde sind. Sensibel auf fremde Verletzung zu reagieren – wie wichtig ist es, dass sich eine solche Fähigkeit schon kleinen Kindern einprägt. Oder ist ihnen diese Empathie von Geburt an mitgegeben, wie der Hirnforscher Gerhard Roth glaubt? Sein Buch ist übrigens auch im „Literatursalon“ zu finden. Wäre es so, dann wird sie bei vielen im Laufe des Lebens zerstört. Und Psychologen werden mir zustimmen, dass bereits die Eltern Schuld daran tragen. Indem sie aus Überzeugung oder Überforderung die Bedürfnisse des Kindes missachten, prägen sie eine verderbliche soziale Norm.

In diesem Bilderbuch für Drei- bis Sechsjährige findet der Elefant viel Mitgefühl. Meine Zweijährige Enkelin, das weiß ich schon, wird sich seinen geknickten Rüssel lange, fast schon mit Tränen in den Augen, ansehen und dann erleichtert zu einem „Kühlpad“ raten, weil sie gerade ein schönes, buntes geschenkt bekommen hat. Aber das hilft natürlich nicht. Ebenso wenig wie der Rat des Ameisenbärs und des Schweins, denen keine Anstrengung zu viel ist. Dass am Schluss der Fliege die Heilung gelingt, passt gut zu dem beliebten Muster der Kinderliteratur, wo es nicht selten die Kleinsten sind, die sich am klügsten und stärksten erweisen. Nun könnte das Buch in völliger Harmonie enden, was meiner Enkelin wohl besser gefiele als die witzige Pointe. Denn nachdem die Fliege dem Elefanten ins Nasenloch flog und ihn zum Niesen brachte, hat sie ihn zwar von seinem Leiden geheilt, aber nun hat sie selbst einen geknickten Rüssel. Wie blöde reagiert da der Elefant! Und wie kann man nun der Fliege helfen? Darüber werden wir noch reden müssen.

Dirk Schmidt & Barbara Schmidt: Kamfu mir helfen? Kunstmann Verlag, 32 S., geb., 14,90 €.

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