Der andere Weg
Was wir alles nicht über China wissen, erläutert Uwe Behrens aus eigener Erfahrung
Von Irmtraud Gutschke
Fast drei Jahrzehnte hat der Autor als promovierter Transportökonom dieses Buches in China gearbeitet, zuletzt als Berater eines in Hongkong ansässigen Unternehmens im Rahmen der Neuen Seidenstraße, die er „das größte Modernisierungsprojekt der Menschheitsgeschichte“ nennt. Da müssen ihm doch angesichts hiesiger Medienverlautbarungen über die Volksrepublik die Haare zu Berge stehen. „Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist“, so zitiert er Alfred Polgar, diesen von den Nazis vertriebenen jüdischen Feuilletonisten, zu Beginn seines Buches. Wie kann er mit der Wahrheit gegen die Lüge bestehen?
Indem er prononciert Zeugnis ablegt von dem, was er erlebt, durchdacht und erfahren hat, ist Lesern ist eine überaus interessante Lektüre versprochen. „Ich habe nicht Sinologie studiert, wohl aber das Leben in China.“ Da sehe ich dennoch Leute vor mir, die skeptisch die Stirn runzeln. Jene vermeintlich Besserwissenden wird er womöglich mit diesem Buch dennoch nicht erreichen, wohl aber jene, die neugierig sind.
Gelungener Titel: „Feindbild China. Was wir alles nicht über die Volksrepublik wissen“. Warum dieses Feindbild in der Öffentlichkeit genährt wird? Weil dem Westen mit China „ein ernstzunehmender Konkurrent“ erwachsen ist. Der Autor schreibt über Chinas Erfolge bei der Armutsbekämpfung, erklärt die Effizienz der Wirtschaft, bei der es sich eben nicht um Staatskapitalismus handelt, aber auch nicht um die Art Sozialismus, wie sie 1989 scheiterte, und spricht von einer hohen Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. In den Kapiteln über den „zivilisatorischen Staat“ und die meritokratische Regierungsform kommt vieles zur Sprache, was uns in Mitteleuropa auf Grund unserer Traditionen fremd ist, was bei Lesen aber auch Sympathie weckt.
Zugleich aber wird im Buch nichts ausgelassen, was mit Vorurteilen und Abwehr behaftet ist: Korruption und Antikorruption, das Sozialpunktesystem, die „Great Firewall“ gegen US-amerikanische Anbieter im Internet, die Uiguren-Frage, Tibet, Hongkong. Uwe Behrens argumentieret unaufgeregt, überzeugt durch Fakten, die man kennen müsste, bevor man urteilt. China will definitiv kein Modell für die Welt sein, aber von der Idee, wie sich ökonomischer Fortschritt mit einer staatlichen Orientierung aufs Gemeinwohl verträgt, ließe sich wohl lernen.
Uwe Behrens: Feindbild China. Was wir alles nicht über die Volksrepublik wissen. Edition Ost, 221 S., br., 15 €.