Die Schulter?
Die Leber!
Kunst der Ostheopathie
Hilfe durch
Letztlich ist es eine Frage des Weltbilds: mechanisch oder dialektisch. Obwohl Denken in Zusammenhängen eigentlich Normalität sein dürfte, zielt Medizin häufig nur auf das Symptom. Freilich, wird ein Symptom erfolgreich behandelt, hat das auch Auswirkungen auf den ganzen Körper. Schulmedizin und Pharmazie leisten diesbezüglich schon viel.
Was allerdings unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten oft aus dem Blickfeld gerät, ist der Kontakt von Mensch zu Mensch. Dabei ist Heilen Hilfe durch einen anderen Menschen, der Kompetenz und Güte in sich vereint, der den Kranken begleitet und stützt. Wer heilt, darf sich als Wohltäter verstehen, der von seiner Lebensenergie etwas abgibt denjenigen, denen es im Moment an Kräften mangelt. Es ist bekannt: Die Kassen gewähren Ärzten zu wenig Zeit für das Gespräch. Die herkömmliche Physiotherapie heißt es, würde oft keine langfristige Wirkung bringen. Lieber sollen Patienten aktiv werden, was ja eine berechtigte Forderung ist. Dennoch: Turnen kann Berührung nicht ersetzen.
„Therapeutic Touch“ – aus eigener Erfahrung ist Vera Bartholomay überzeugt, dass allein schon durch Berührungen mit der Hand bei Patienten Beschwerden gelindert, Heikräfte aktiviert werden. Allein schon die Ausschüttung des Hormons Oxytocin wirkt beruhigend, reduziert Ängste, löst Verspannungen, stärkt das Immunsystem. Natürlich wirkt solche Zuwendung durch einen geschulten Therapeuten stärker, aber im Buch werden auch Anleitungen gegeben, wie auch Laien versuchen können, mit ihren Möglichkeiten bei verschiedenen Beschwerden zu helfen.
Hingegen beschreibt der der Ostheopath Peter Schwind die Hohe Schule seines Metiers. Er hat sich bei dem französischen Ostheopathen Jean-Pierre Barral ausbilden lassen und selbst miterlebt, wie dieser einem Freund half, der einen Schlaganfall erlitten hatte. Dabei handelt es sich hier nicht um etwas Mystisches, sondern es ist eine Kunst, die auf genauestem Wissen beruht, nicht nur was Muskeln und Gelenke, sondern auch deren Wechselbeziehungen mit inneren Organen und dem sie umgebenden Bindegewebe betrifft. So kann es eben durchaus sein, dass eine steife Schulter mit Problemen der Leber zusammenhängt, die dem Patienten gar nicht bewusst gewesen sind. Rückenschmerzen können daher kommen, dass eine Niere „fest sitzt“. Durch das Netzwerk der Faszien, die Weichteil-Komponenten des Bindegewebes, werden Verspannungen innerhalb des Körpers übertragen. Also ist es auch möglich und oft sogar ratsam, Beschwerdezonen indirekt zu beeinflussen – und das nicht durch Krafteinwirkung wie bei einer Massage, sondern durch Auflegen der Hände zum Beispiel an Kopf und Hals.
Seit 2012 übernehmen viele Krankenkassen zumindest teilweise die Kosten für ostheopathische Behandlung. Wer Beschwerden hat, sollte zumindest versuchen, sich auf diese Weise helfen zulassen, statt sich, oft schon gewohnheitsmäßig, Schmerzmittel „einzuwerfen“
Vera Bartholomay: Heilsame Berührung. Therapeutic Touch. Integral.288 S., br., 16,99.
Peter Schwind: Das Croissant im Gehirn. Die ungewöhnliche Ostheopathie des Jean-Pierre Barral. Irisiana. 223 S., geb.,