Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Paulette und Minosch

„Geduldigsein ist anstrengend“

Von Irmtraud Gutschke

Dieses Buch bringt mich ins Schwärmen. Auf den ersten Blick schon mochte ich die Illustrationen von Raffaela Schöbitz: dieses Feingestrichelte, Detaillierte und dabei Klare, die spielerisch-fließenden Übergänge zwischen Wirklichkeitstreue und heiterer Phantasie. Und ich mag die Geschichte, die Kerstin Hau erzählt, sehr konkret und gleichnishaft zugleich. Ein quirliges Mädchen, ein ruhiger Kater und eine Pflanze namens Mimosa, die mit den beiden auf einem Boot „einfach nur da ist“. Dass man sich über Knospen freut und dann sehnsüchtig darauf wartet, dass sie sich öffnen, jeder kennt das. Wenn ich im Frühling durch meinen Garten gehe, such ich auch hinter die Geheimnisse meiner Rosen zu kommen. So viele sind es, dass ich nicht von jeder sagen kann, wie sie blüht.

Hier können Kinder zusammen mit Paulette die Knospen der Pflanze Mimosa zählen. Von eins bis fünf also, sage ich mal, ist das Buch schon für Dreijährige gut. Auf den Bildern lässt sich eine Menge entdecken. Und beim Vorlesen werden auch Erwachsene merken, was das für eine lebensweise Geschichte ist. Denn uns allen geht es doch so wie Paulette: Unser Leben ist so rastlos, wir können schwer warten. Kater Minosch hat gelernt, vor einem Mauseloch zu sitzen. Aber wir Menschen meinen, alles durch Tatkraft erreichen zu können. „Geduldigsein ist anstrengend“, denkt das Mädchen. Ja, das stimmt. In jeglicher Hinsicht. Aber die Pflanze Mimosa wird Paulette lehren, dass alle hektischen Bemühungen um Beschleunigung nichts nützen. Sie blüht. Aber erst, wenn es an der Zeit ist.

Raffaela Schöbitz und Kerstin Hau: Paulete und Minosch. Kunstanstifter Verlag, 32 S., geb., 20 €.

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