Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Sigrid Damm: Wandern – ein stiller RAusch

„Der Raum für Atemzüge“

„Wandern ein stiller Rausch“ – Sigrid Damm war mit ihrem Sohn in Lappland unterwegs

Von Irmtraud Gutschke

Immerhin war sie nicht allein in der Waldeseinsamkeit. Ihr Sohn Hamster Damm begleitete die damals 60-Jährige auf einem siebentägigen Fußmarsch durch den Norden von Schweden. Und das nicht etwa zur Sommerszeit. Als sie am Markt in Jokkmokk ankommen, sind es 40 Grad Minus. „Viele Händler in langen Pelzmänteln, mit riesigen Pelzhandschuhen, die wie Tatzen wirken; ihr Aussehen halb Tiergestalt, halb Märchenprinz.“ – Aber dies ist keiner der üblichen touristischen Reiseberichte, die uns mit Exotischem locken. Es ist ein Buch der Einkehr, der Besinnung. Der Markt im Samendorf am fünften Tag ist nur ein bunter Punkt im Meer von Weiß und Grün.

Waldeseinsamkeit also doch. „Raum für Atemzüge.“ Denn das hat die Schriftstellerin gesucht. Die „Füße auf schmalem Pfad“ – die Gedanken so geweitet. Oder auch ganz still. Aber man weiß, unter dieser Stille ist etwas in Bewegung, aus dem etwas Großes erwachsen kann. Wenn man Sigrid Damms Bücher liest über Schiller und  Lenz und immer wieder Goethe – seine Schwester Cornelia, seine Ehefrau Christiane und über Frau vom Stein, über seine letzte Reise, seine Freunde in Gotha und Weimar und jüngst auch über seine Beziehung zu Herzog Carl August ­– stellt man sich die Autorin in der Weimarer Anna Amalia-Bibliothek oder im Goethe-und-Schiller-Archiv vor, gebeugt über alte Folianten. Dort wird sie auch so manchen Tag gesessen haben. Umso mehr hat sie sich wohl Bewegung gewünscht, sie sich auch auferlegt. Denn irgendwann schmerzen die Füße.

Man ist dabei, wie sie – abwechselnd mit dem Sohn – die Natur betrachtet, wie sie stehenbleibt, einen Anblick genießt, den sie auf ihre poetische Art zu beschreiben vermag. „Einmal war ein Wasserloch unmittelbar vor mir. Dann kam ich an einen kleinen See, in den in bizarrsten Formen die Schneemassen wie in einen Trichter stürzten. Ein Schmelzwassersee. Wo war unter dem See der Zufluss, wo der Abfluss?“ Immer wieder fordert der Marsch Konzentration auf das, was gerade zu bewältigen ist. Dann wieder strömen ihr Gedanken zu, Erinnerungen, die dann mit in dieses Buch eingehen. Schließlich trägt sie ja ihre Bücher ja in ihrem Geiste mit sich, ja ihr ganzes Leben, das lange zwischen zwei Männern verlief, ihr Älterwerden auch…

Das schön gestaltete Buch ist ein Geschenk zu ihrem 80. Geburtstag gewesen.

Sigrid Damm: Wandern – ein stiller Rausch. Insel Verlag, 190 S., geb., 14 €.

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