Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Linda Wolfsgruber: Eine Stadt

Liebeserklärung und Segenswunsch

Irmtraud Gutschke

Das Buch hat eine Vorgeschichte: „An einem grauen Novembertag 2019 zeigte mir Pipin diesen neugebauten Stadtteil. Seine Assoziation mit den Gemälden von Giorgio de Chirico war der Moment, der mich inspirierte, Bilder von der Seestadt zu malen“, erklärt Lina Wolfsgruber aus Wien. Zu ihren Bildern hat sie sich dann auch Texte ausgedacht. Liebeserklärung an ein Neubaugebiet, wie es auch hierzulande viele gibt, geliebt, wenn man dort eine komfortable Wohnung bekam, ungeliebt, weil dort jene Infrastruktur noch fehlt, die alte Stadtviertel so anheimelnd macht. Und völlig ungewohnt für Zugezogene aus ländlichen Gebieten. Der lakonische Titel „Eine Stadt“ könnte treffender nicht sein. Denn zusammengewürfelt zu werden mit ganz verschiedenen Menschen, das gehört heute nun mal dazu, wenn man in einer Stadt leben möchte. Sich darauf einlassen zu wollen, ist zumindest für Ältere ein mitunter nicht einfacher Gedankenschritt.

Die Künstlerin weiß um dieses Gewöhnungsbedürftige und geht ihm absichtsvoll entgegen. Sie weiß auch um die Vereinzelung, die allzu oft das urbane Leben dominiert. Dagegen könnte man etwas tun, wenn man einander entgegengehen würde. Wenigstens nicht über andere hinwegsehen, sondern sich daran erfreuen, wie eine Frau namens Rosa ihre Pflanzen pflegt oder Gertrude Wildkräuter sammelt. Es sind keine reichen Leute, die hier unterwegs sind. „Einfache Menschen“ könnte man sie nennen, aber alle haben doch ihr Träume. Kathy, die hier verschiedene Wohnungen putzt, freut sich darauf, am Wochenende Zeit für ihre Familie und ihren Freund zu finden. Marisa, die ihr erstes Kind erwartet, will auf Reisen gehen, auch wenn es eng wird im zum Wohnmobil umgebauten Auto. Flora bereitet sich auf ihr Medizinstudium vor, und Luisa übt sich seit ihrer Kinderzeit als Luftakrobatin … Lukas und Andrea beobachten wir auf ihren Fahrrädern, wie sie ihre Großeltern als Kinder wahrscheinlich nicht hatten.

„Das ist der einfache Frieden, den schätze nicht gering“ – dieser Liedtext von Gisela Steineckert fällt mir ein, wenn ich das Buch lese und immer wieder betrachte. Linda Wolfsgrubers Bilder und Texte sind ein Segenswunsch.

Linda Wolfsgruber: Eine Stadt. Begegnungen. Kunstanstifter Verlag, 44 S., geb.,
24 €.

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