„Lebe wild und gefährlich und sei niemals brav!“
Irmtraud Gutschke
„Fiesta de Día de Muertos“ – an dieses bunte mexikanische Volksfest musste ich denken, schon als ich dieses Buch aufgeschlagen habe. Nicht weinend gedenkt man dem Tod, sondern tanzend feiernd mit leckerem Essen. Bunt geschmückt sind die Friedhöfe mit Skeletten aus Pappmaché und Totenköpfen aus Zucker. Schon gegen Ende des Buches bringt uns Ca Rose ein solches Fest vor Augen. „Noch nie hatte das Mädchen so viele bunte Lichter und schöne Dinge auf einmal gesehen. Die Urgroßmutter hätte es geliebt. An diesem Ort war es sogar für einen Tod schön.“
Nicht neblig, trübe, wie der November nunmal ist, sondern bunt und schön ist das ganze Buch geworden. Es ist bezaubernd, es ist bewegend, wie die Künstlerin bitteren Ernst mit Einsicht und Hoffnung verbindet. „Es ist Zeit für mich zu gehen“, hatte die Urgroßmutter des kleinen Mädchens eines Tages gesagt. „Doch der Tod kommt nicht. Ich weiß nicht, wieso. Könntest du mal nachsehen, warum er so lange auf sich warten lässt?“ „Aber dann bist du weg!“, flüsterte das Mädchen.
Diese Traurigkeit bleibt die ganze Zeit über im Buch. Aber im Hintergrund. In den Vordergrund schieben sich phantastische Abenteuer. Denn „wo sucht man den Tod, wenn man ein Kind ist?“ Einen kleinen versetzten Schmetterling entdeckt das Mädchen, eine krumme Eule, einen Tiger hinter Gittern, den sie befreit. Auf einem der vielen wunderschönen Bilder sieht man, wie sie ihn an sich drückt. Eine gefährliche Fahrt übers Meer schließt sich an. Sie kommen in eine bunte Stadt, wo es der Urgroßmutter sicher gefallen würde. „Das Mädchen vermisste die alte Frau plötzlich ganz furchtbar.“
Und dann dieses Fest. Die Reisegefährten – inzwischen sind noch Schildkröte, Affe und Nashorn dabei – klettern eine lange Leiter hinauf, „die ins Nirgendwo zu führen schien“. Und tatsächlich finden sie den Tod: „Zusammengesunken kauerte er ganz allein auf dem Mond“ und tat dem Mädchen leid. „Es setzte sich die schwarze Krone des Todes selbst auf den Kopf und schmückte dessen kahlen Schädel mit seinen Blumen …“
„Und jetzt sei fröhlich, Knochenmann!“ So leicht soll die schwierigste Frage der Menschheit beantwortet werden? Wer dieses Buch liest, wird sehen: So leicht macht es sich die Künstlerin nicht. Sie schafft es, während ihrer turbulenten Geschichte die ganze Zeit über in einem Spannungsfeld zu bleiben: zwischen Bitterkeit, ja Verzweiflung, Einverständnis und Hoffnung, dass die Urgroßmutter ihr ganz jung und glücklich in Erinnerung bleibt. Und sie selbst wird den Rat des Nashorns beherzigen, jeden Tag des Lebens auszukosten. „Tu das, was du willst, solange du kannst. Lebe wild und gefährlich und sei niemals brav!“
Für Drei- bis Sechsjährige sei die Geschichte gedacht, heißt es vom Verlag. Nun, ich würde das ideale Alter etwas später ansetzen, außer Dreijährige haben schon Erfahrungen mit dem Tod gemacht. Und wie es bei den besonders guten Kinderbücher ist, gerade auch Erwachsenen haben sie viel zu geben.
Ca Rose: Und jetzt sei fröhlich Knochenmann! Kunstanstifter Verlag, 48 ., geb., 24 €.