Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Michael Hammerschmid: Was keiner kapiert

Rap vom Feinsten

Irmtraud Gutschke

Diesmal keine Gedichte für Vorschulkinder wie vor zwei Jahren in dem zauberhaften Bilderbuch „wer als erster“, sondern Gereimtes für Heranwachsende von 13 Jahren an. „Für Mia und Paulina“, so die Widmung im Buch. Da darf man schon erwarten, dass der 1972 geborene Autor aus Wien die Sorgen von Teenagern gut kennt, die hierzulande nicht anders sind. „ich stehe auf alein/ heb meinen fuß heraus/stell ihn am boden auf/mein handy ist ein/ bienenstock für heute/ lass ihn sein …“ Also lerne auch mal auf dich selber zu hören. Leicht gesagt: „ICH WEISS NICHT/ WAS ICH WERDEN SOLL“. Und außerdem: „der krieg fetzt/ in mich/ der bildschirm/zerfetzt …“ Und: „die umwelt fliegt es fliegt es fliegt die umwelt …“ Man kann es nachfühlen: „ich spür echt nicht/ was das soll/ ich weiß echt nicht/ was das ist…“ Wie ein „absurdes theater“ ist die Schule und die ersehnte Zweisamkeit erscheint so schwierig. Trotz: „ich muss faul/ sonst werd/ ich mein leben/ nicht schaffen…“ Entschluss: „ich mache was andres/ was andres ist immer/besser…“

Wie gut Michael Hammerschmid sich einfühlen kann in diesen Gefühlswirrwar, der dann vielleicht gar nicht mehr aufhört: Diese Entfremdung von der Welt und von sich selbst, die in der Fülle der Möglichkeiten sogar noch größer zu werden droht. Und wie er dafür Worte findet, so treffend, im einfachen Ausdruck eine ganze komplizierte Welt erfassend! Dazu der Rhythmus, der die Texte so eingängig macht, dass man sie vor sich hinsagen kann, einen Tag, eine Woche über. Der Selbstverständigung könnte es helfen. Und man könnte damit sogar auf die Bühne gehen. Denn das ist Rap vom Feinsten.

Michael Hammerschmid: Was keiner kapiert. Illustriert von Barbara Hoffmann. Jungbrunnen, 112 S., brosch., 15 €.

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