Flucht aus dem Glashaus
Irmtraud Gutschke
Die Bilder von Felicita Sala werden sofort alle Blicke auf sich ziehen. Einem Oktopus möchte man in natura eigentlich nicht begegnen. Acht Fangarme mit Saugnäpfen. Daraus kann man Horrorfilme machen. Oktopusse können über einen Meter groß werden. Aber es gibt auch kleinere Arten, die man mit einem Handschuh fangen kann. So geschehen in der Geschichte von Maile Meloy, in der so eine Krake zu Forschungszwecken in ein Aquarium kommt, wo eine Frau im weißen Kittel sie anstarrt und ihr sogar beibringt, mit den Fangarmen auf eine Fotokamera zu drücken. Futter bekam das Tier immer zur selben Zeit. Er brauchte nicht zu jagen.
Vielleicht haben Kinder auch schon mal Fische in einem Aquarium angestarrt. Man möchte ja auch nichts gegen solche Einrichtungen sagen. Andererseits … Völlig verständlich ist es, dass unser Oktopus heraus aus dem Glashaus will. Felicita Sala hat ihn gemalt, wie er die Scheibe herunterrutscht, was ihm niemand zugetraut hätte, und sich unter der Tür hindurchquetscht, wie er sich dann über einen Anlegesteg ins Wasser stürzt und dort dreimal die Farbe wechselt, „einfach weil es Spaß machte“. Da hat man das kleine Wesen schon lieb gewonnen und bewundert es, wie es den langen, gefährlichen Weg zu seiner Höhle auf sich nimmt. Was für eine wunderbar bunte Unterwasserwelt empfängt den Oktopus da!
Was uns die Geschichte sagt: Selbst das komfortabelste Domizil bietet nicht die Freiheit, die man bei sich zu Hause hat.
Maile Meloy: Der Oktopus haut ab. Illustriert von Felicita Sala. Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs. Insel Verlag, 40 S., geb., 18 €.