Sei unbeirrt
Bernhard Moestl: „Das geheime Wissen der Ninja“
Irmtraud Gutschke
Man schlage dieses Büchlein an beliebiger Stelle auf und lese zunächst einmal nur das Groß- und Rotgedruckte: „Um an uns selbst glauben zu lernen, müssen wir nur oft genug jene Dinge denken, die uns stärken.“ Stimmt doch oder? Also nochmal: „Je selbstverständlicher sich ein Mensch auf ein Ziel zubewegt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass jemand ihn aufhält.“ Das überzeugt mich, ich sehe: Das Buch könnte mir nützen.
Die Ninja: Historisch verlässliches Wissen über die besonders ausgebildeten Kämpfer im vorindustriellen Japan gibt es kaum. Umso größer ist ihre geheimnisvolle Anziehungskraft. In der Pop-Kultur – Filmen, Computerfilmen, Comics – sind sie in einem Maße lebendig, dass man mit diesen Marketingeffekten auch spielen kann. Der Österreicher Bernhard Moestl „beschäftigt sich seit über 35 Jahren mit asiatischer Weisheit und Kampfkunst“, so der Klappentext. Mindestens 15 Bücher hat er zu diesem Thema bereits veröffentlicht, in denen er das verspricht, was wir unter unseren Lebensumständen besonders brauchen: innere Kraft. Wegweisend waren seine Erfahrungen in einem chinesischen Shaolin-Kloster. Bei den Ninja ist er selbstredend noch nie gewesen, sondern hat nur viel über sie gelesen und verbindet es nun auch mit den Erfahrungen bei jenem buddhistischen Mönchsorden, der besonders durch seine Kampfkunst legendär wurde.
Kampf: Auch das vage Glück, im Frieden zu leben, bedeutet nicht vollendete Harmonie. Die Konkurrenzgesellschaft, in der wir leben, birgt jede Menge Frustrationspotenzial. Wer nicht durch Geburt „oben“, lebt in ständiger Anstrengung, auf einer abwärts führenden Rolltreppe nach oben zu laufn, wie der Soziologe Hartmut Rosa es ausgedrückt hat. Bernhard Moestl verdient sein Geld nicht nur als Buchautor, sondern auch als Coach. Auf diesem überlaufenen Terrain ist er wohl einer der besten. Gewissheit verbindet sich bei ihm mit sprachliche Kraft. Er kann überzeugend wirken – im Sinne von Selbstermächtigung.
Die legendären japanischen Schattenkämpfer beschreibt er als Gegenspieler der nicht minder legendären Samurai. Und er bringt sie uns nahe als Sucher nach einem Einklang, nach spirituellem Erwachen. Aber der derlei Mystiker sind der weltlichen und religiösen macht immer ein Dorn im Auge. Der Tenno ließ sie als Unruhestifter brandmarken und sandte seine Truppen aus. „Nenn jemand, der Wahrheiten sieht, die anderen Menschen unbequem sind, wird schnell zm Ziel von Bedrohungen und Angriffen.“
„Ninja“ heißt auf Japanisch so viel wie „Verborgene“. Zumal sie zahlenmäßig unterlegen waren, attackierten sie ihre Feinde aus dem Hinterhalt. Sie kämpften nicht im Verbund, sondern waren darauf trainiert, allein einer Übermacht zu trotzen. So passen die „Lehren“, die Bernhard Moestl den Ninja abgewinnt, zu jener hochindividualisierten Gesellschaft, in der wir leben. Wobei es ihm nicht allein um Durchsetzungsfähigkeit zu tun ist, sondern mehr noch vielleicht um die Bereitschaft, von den eigenen Vorstellungen auch mal zurückzutreten, um etwas Größeres zu überschauen. „Wer in der Lage ist, seinen Gegner zu verstehen, der versteht das Wesen der ganzen Welt.“ Und weiter: „Auch unangenehme Gefühle können Wegweiser sein.“
„Lerne, so weit von deinen Vorstellungen zurückzutreten, bis du die ganze Situation überblicken kannst.“ – Wie würde man sich da Bernhard Moestl als Ratgeber für Politiker wünschen.
Bernhard Moestl: Das geheime Wissen der Ninja. 8 Wege, die Welt zu verändern. Knaur, 172 S., geb., 18 €.