Blumen des Bösen
Irmtraud Gutschke
„Kat Menschik im Farbenrausch“ – so ist die letzte Seite dieses Buches überschrieben, wo die schöne Illustratorin umwirbelt ist von Rot, Magenta, Grün, Blau und Gelb. Dazu die Information: „Dieses Buch wurde mit sechs einzeln angemischten Echtfarben gedruckt“. Will heißen: Der Galiani Verlag hat sich wieder einmal besondere Mühe gegeben, wie überhaupt mit der Buchreihe „Lieblingsbücher“ von Kat Menschik, die jedes Mal neu durch ihre Gestaltung fasziniert. Diesmal geht es – hört, hört – um psychoaktive Pflanzen. Also mussten die Bilder dazu auch irgendwie psychedelisch sein – betörend und warnend. Von diesem Spannungsfeld lebt auch der Text „des Psychiaters Doctor Medicinae Jakob Hein“, der uns als ernster, wissenschaftlicher Experte gegenübertritt mit lateinischen Bezeichnungen der Pflanzen wie der darin enthaltenen chemischen Substanzen, dem man aber, so locker, heiter wie er erzählt, gleichzeitig zutrauen würde, mit vielem schon mal selber experimentiert zu haben. Was nicht so sein muss, gerade wenn man die Risiken kennt. Manchmal ist ja auch schon der Wunsch der Vater des Gedankens.
„Was verboten ist, probiert man aus“, heißt es in einem Kindergedicht, das meine kleine Enkelin immer wieder in Lachen ausbrechen lässt. Aber nun bin ich strengstens gewarnt, den Goldlack, der in meinem Garten wächst, ja nicht als Deko in den Salat zu mischen, was man mit Gänseblümchen gern tun kann. Die Bilder von Anagallis arvenis – Acker-Gauchheil – habe ich mir gleich bei Google herausgesucht, weil der Autor sie eine „der gemeinsten Pflanzen“ nennt. Auf Englisch heißt sie „Scarlet Pimpernel“. Aber Pimpernellen, irre ich mich, kann man doch essen? Mit einem ganzen Strauß „Blumen des Bösen“ im Gedenken an Baudelaire weiß Jakob Hein uns zu überraschen: Fingerhut, Alpenveilchen, Amaryllis, Diptam (diese duftende Staude hätte ich dennoch gern im Garten). Die Geheimnisse des Absinth, der „grünen Fee, werden gelüftet und von Nicotiana tabacum erfährt man wieder einmal, dass Rauchen süchtig macht. Bewundernswert, wie der Autor immer wieder historische Einzelheiten einflicht. In den 1930er Jahren sollen 80 Prozent der deutschen Männer und 20 Prozent der Frauen geraucht haben. Noch 1952 empfahl der ADAC: „Wenn Sie schon betrunken Auto fahren, dann rauchen Sie wenigstens dabei.“ Aber es gibt auch Gegenmittel zum Nikotin. Goldregen rauchen?
Manches ist eher in südlichen Ländern gebräuchlich, wie der Kat, appetitmindernd, antriebssteigernd und konzentrationsfördern – gut, um beim gemeinsame Kauen der Blätter, Geschäfte zu besprechen. Kaum zu glauben, dass Coca-Cola einst tatsächlich kleine Dosen von Kokain enthielt. Was immer möglich war, wurde von Menschen zu Alkohol vergoren. „Schon Affen konsumieren gern und regelmäßig alkoholische Getränke“, schreibt Jakob Hein, und Kat Menschik hatte malend vor Augen, wie sie im betrunkenen Zustand aussehen.
Wobei Nützliches und Schädliches oft nahe beieinander liegen. Salbei ist gut bei Verletzungen der Mundhöhle und schleimlösend bei Bronchitis, enthält im Mai aber auch Thujon, einen psychoaktiven Bestandteil von Absinth. Der psychoaktive Wirkstoff Myristicin findet sich in Muskatnüssen, aber auch in Petersilie, Dill und Liebstöckel. Also bitte sparsam dosieren. Wie der französische Arzt Herbért Robert die therapeutischen Tugenden der Schokolade lobt, habe ich kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich, wie so oft beim Schreiben, von diesem „Tonikum“ nicht lassen kann. „Antidepressiv“ und „stressreduzierend“ soll Schokolade wirken „und so das Vergnügen an freudvollen Aktivitäten, einschließlich Sex, erhöhen“. Apropos Sex: Den Aphrodisiaka gilt ein extra Kapitel. Aber da verrate ich nichts. Schließlich sollt ihr das Buch ja auch noch kaufen.
Kat Menschiks & des Psychiaters Doctor Medicinae Jakob Hein illustriertes Kompendium der psychoaktiven Pflanzen. Galiani Berlin, 112 S., geb., 22 €.