Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Rainer Kirsch: Wie die Mathematik in die Welt kam

Kann man Mathematik in Verse bringen?

Von Irmtraud Gutschke

Man kann, wie man sieht: Der Dichter Rainer Kirsch (1934-2015) hat sich tatsächlich einen Reim auf Jahrtausende Menschheits- und Wissensgeschichte gemacht. Verdichtet, im besten Sinne des Wortes, und dabei so verschmitzt hintersinnig, dass das Buch zu einem Vergnügen wird, das man nach dem ersten Lesen noch x-Mal wiederholen möchte. Es beginnt damit „Häuptling Olim“ sich vor hunderttausend Jahren nicht verständlich machen konnte mit „Ein Mann, Zwei Mann, Viele Mann“. Auch dass „zwei“ sehr vieles bedeuten konnte – Hechte oder Eichenblätter, Bärenhäute, Steinbeilklingen – musste erst einmal in seinen Kopf. Freilich: „Selten hatte wer zu wählen/ Zwischen mehr als zwei Stück Fleisch – / Meistens aß man alles gleich.“

Aber mit Beginn der Sesshaftigkeit erblühte der Tauschhandel, was es nötig machte, mehr als bis zwei zu zählen. „Hirte Bockshorn beispielsweise/ Grübelt kurz vor einer Reise/ Wie viel Schafe nehm ich mit?/ Vier, denk ich, nimmt Bauer Schnitt,/ Fünf braucht Runks, sechs vielleicht Pansen -/ Aber was macht das im Ganzen?“ Als man Zahlen noch nicht schreiben konnte, nutzte man ein Kerbholz, ist zu erfahren. Wie wurde die Bruchrechnung erfunden? Wie kam es zu den römischen und dann zu den arabischen Zahlen? Seit wann gibt es Gewichtseinheiten? Wie kommt es, dass seine Stunde sechzig Minuten hat? Welche Folgen hat das Fehlen der Null? Thales von Milet wurde zum Begründer von Geometrie und Astronomie. Adam Ries führte die indisch-arabischen Ziffern ein und verfasste Lehrbücher in deutscher Sprache. „Aber ach, die Formeln werden/ Immer schwieriger und länger …“ Der Ausweg: „Elektronische Rechengehirne“ – sogar bis zu ihnen nimmt uns der Dichter mit.

Man sieht, dass es auch im Verlag ein Lieblingsbuch gewesen ist. Mit den Illustrationen von Oliver Weiss ist es zum Buchkunstwerk geworden. Und kein Geringerer als Dietmar Dath wurde für ein Nachwort gewonnen. Ob wirklich schon Sechsjährige Freude daran haben. Wenn sie von ihren Eltern unterstützt werden, vielleicht. Und denen ist der größte Spaß versprochen.

Rainer Kirsch: Wie die Mathematik in die Welt kam. Illustrationen Oliver Weiss. Eulenspiegel Kinderbuchverlag, 44 S., geb., 16 €.

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