Ohne Illusionen
Von Irmtraud Gutschke
Ihre Eltern schlagen sich irgendwie durchs Leben, und auch sie werden es tun. Irgendwie. Also warum sich jetzt um eine Zukunft den Kopf zerbrechen, in der schwerlich irgendwelche Blütenträume reifen werden. Die 14 Erzählungen dieses Bandes handeln vom Leben im Jetzt: mit Liebessehnsüchten, Schuldgefühlen, Frust, Kränkung – und immer wieder mit Bier und Zigaretten, in denen auch manchmal „Gras“ ist. Beinahe wäre eine Tankstelle in die Luft geflogen, aber nur ein Moped hat es erwischt. Kopfschmerzen wegen zu viel Alkohol. Zwei Freundinnen verlieren einander, weil die eine die Prüfungen nicht schaffen wird, und die andere, besser Gestellte, das deren Mutter erzählt. Ein Mädchen erkennt, dass sie lesbisch ist. Ein Junge will bei illegalen Boxwettkämpfen Geld machen, und seine Freundin ängstig sich um ihn – zu Recht. „Gladiatorenkämpfe der Jetztzeit. Während die Elite mit grünen Smoothies an einem möglichst störungsfreien Leben bastelt, entlädt sich die aufgestaute Wut der Jugend in illegalen Zweikämpfen ohne medizinische Versorgung.“ So wie „Tigerwäsche“ von Anna Kampmann geht es auch in anderen Texten um diesen Gegensatz.
Die krisenhafte Stimmung im Ganzen spiegelt sich im Einzelnen. Die jungen Autorinnen und Autoren sind ohne Illusionen. Man würde gern mehr über sie erfahren: wann und wo geboren, frühere Arbeiten usw. Aber der Verlag beglückt uns lediglich mit einer Kurzbiografie des Herausgebers Leander Steinkopf. Ein Nachwort seinerseits wäre dem Band dienlich gewesen. Sind einige der Autorennamen vielleicht Pseudonyme? Nicht alle auf jeden Fall, denn einige Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind durchaus bekannt.
Andererseits: Wenn 12 bis 18-Jährige diese Texte lesen, könnte es sein, dass derlei Fragen sie gar nicht so sehr interessieren, dass sie das Geschriebene pur nehmen und mit ihrem Erleben vergleichen. Dabei, wage ich die Prognose, wird dieses Buch gut abschneiden.
Leander Steinkopf: Neue Schule. Prosa für die nächste Generation. Claassen, 304 S., geb., 22 €.