Willkommen in meinem Literatursalon
Irmtraud_Gutschke

Lesen macht glücklich, weil es uns sagt, wer wir sind und wer wir sein wollen, weil wir über uns hinauswachsen, in fremder Haut erleben dürfen, was uns sonst verschlossen bliebe. Heutzutage scheinen wir ja in Informationen zu ertrinken und haben doch das Gefühl, dass uns Wichtiges fehlt. Was ich suche, sind Bücher, die in diesem Sinne nachdenklich machen, ja auch solche, von denen ein Leuchten ausgeht. Viele Jahrzehnte habe ich als Literaturredakteurin mit Hunderten, ja Tausenden von Texten zu tun gehabt, auch selber Bücher geschrieben. Die Neugier auf Neues will ich hier mit anderen teilen.

„literatursalon.online“: Stellen Sie sich vor, wir sind zusammen in einem schönen Saal, und Sie möchten von mir wissen, was sich zu lesen lohnt. Was interessiert Sie denn, frage ich zurück. Politische Sachbücher? Gute Romane und Erzählungen? Spannende Krimis? Bildbände, die man immer wieder betrachten möchte? Mit meiner Auswahl lade ich Sie zu Ihren eigenen Entdeckungen ein.

Irmtraud Gutschke

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen - meine Biografie, meine Bücher und Veranstaltungen - , schauen Sie auf meine Webseite www.irmtraud-gutschke.de

Dulcinea im Zauberwald

Von Liebe und Mut

„Dulcinea im Zauberwald“, ein Märchen von Ole Könnecke

Von Irmtraud Gutschke

Großartig und gar nicht so weit hergeholt das Bild, wie ein kleines Mädchen mit drei Luftballons in der Hand und ganz ernsten Gesichts durch hohes Gras auf den Wald zuläuft. Die drei Luftballons trägt Dulcinea, weil sie Geburtstag hat, und in den Wald geht sie, weil der Vater vom Blaubeeren-Sammeln nicht zurückgekommen ist. Mutig entschlossen übertritt sie ein Verbot. Weil im Wald eine böse Hexe ihr Unwesen treibt, hat sie dem Vater versprochen, niemals dorthin zu gehen. Aber was soll sie machen?

Tatsächlich sind kleine Kinder zu fast unglaublicher Entschlossenheit fähig, wenn sie um ihre Eltern fürchten. Beim Lesen dieses zauberhaften Märchens sehe ich noch vor mir, wie sich meine kaum dreijährige Enkelin an überfülltem Strand auf den Weg machte, die Mama zu suchen, die ihr gesagt hatte, sie käme gleich wieder. Ich lief hinter ihr her, ohne dass sie es merkte. Aufhalten hätte ich sie nicht können. Meine Tochter nahm sie in die Arme.

So wie es der Vater auch mit seiner Tochter tut, die es tatsächlich geschafft hat, seine Verwandlung in einen Baum rückgängig zu machen. Mutig aus Liebe und findig dazu ist Dulcinea. Wie sie sich der Angst nicht ergibt und sich sogar zum Schloss der Hexe aufmacht – im Gebüsch platzt ihr ein Luftballon nach dem anderen – , wie sie ihr in höchster Gefahr durch eine List das Zauberbuch entwendet, ist in kappen Texten erzählt und treffend ins Bild gesetzt.

Was wäre passiert, wenn die böse Hexe nach dem Vater auch das Kind verzaubert hätte? Niemand hätte sie retten können. Aber so wollte Ole Könnecke seine Geschichte nicht ausgehen lassen. Und wo ist eigentlich die Mama, wird meine Enkelin fragen, wenn ich ihr das Buch vorlese. Aber vielleicht muss sie dazu auch noch ein jahr älter werden.

Dulcinea im Zauberwald. Ein Märchen von Ole Könnecke. Hanser, 64 S., geb., 16 €.

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