Spannend wie ein Krimi
„Spionage in Berlin. Agenten im Kalten Krieg“ von Dietmar Peitsch
Berlin war „Frontstadt“ im Kalten Krieg. Nicht nur zwei Staaten, sondern auch zwei Gesellschaftssysteme, ja zwei Weltmächte standen einander gegenüber. Dass es da auch gegenseitige Spionage gegeben hat, ist, so unangenehm einem der Gedanke ist, selbstverständlich. „Spionage – das älteste Gewerbe der Welt“, ist das erste Kapitel überschrieben. Damit ist eine Tonlage fernab medialer Hysterie vorgegeben. „Vieles ist banal, vieles ist bürokratisch, manches ist langweilig, einiges ist aber auch atemberaubend und teilweise kaum u glauben.“ Klar, dass das Langweilige, Bürokratische nicht Stoff dieses Buches ist, sondern eher das, was an Spionagethriller denken lässt, wobei Dr. Dietmar Peitsch, Jurist und Historiker, eben nicht ins Blaue fabuliert, sondern sein Buch auf der Grundlage genauer Recherchen geschrieben hat.
Und nicht nur das. Da er selber Stabsleiter der Polizei und Stabsleiter im Landesamt für Verfassungsschutz gewesen ist, kennt er den „Betrieb“ von innen heraus. Und er kann den Blick auch darauf lenken, was die Westberliner Bevölkerung nicht mitbekam: ihre eigene Überwachung durch die Alliierten. Zwar nennt der Autor die DDR auch mal „Regime“, aber ansonsten bemüht er sich um den objektiven Blick, dass sich die Geheimdienste gegenüberstanden in einem Krieg, der Gott sei Dank nicht zu einem heißen wurde. Da hat die gegenseitige nicht nur eine negative Rolle gespielt.
Untergrundorganisationen ist West und Ost: Gerade über erstere weiß der Autor viel. Überaus interessant seine Darlegungen über West-Berliner Organisationen im Dienste der Geheimdienste, die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ oder die Ost-Büros Westberliner Parteien und des DGB. Egon Bahr, der für den RIAS gearbeitet hatte, gab zu, der Sender habe seine Zuträger in der DDR gehabt.“ Und natürlich ist das Notaufnahmelager Marienfelde ein „Tummelplatz der Geheimdienste“ gewesen. Auf der anderen Seite wurde die Westberliner Polizei vom MfS ausgespäht, Der Kriminalbeamte Karl-Heinz Kurras, der Benno Ohnesorg erschoss, ist zum Beispiel langjähriger Inoffizieller Mitarbeiter gewesen. Gab es westliche Spione in DDR-Führungsetagen? Der Spionagetunnel in Rudow, Entführungen durch das MfS, Überläufer – der berühmteste war Werner Stiller, der HV-A-Chef Markus Wolf auf einem Foto identifizierte) – MfS- und KGB-Spione in den West-Berliner Abhörzentralen, Mordversuche an dem Fluchthelfer Wolfgang Welsch, der Übertritt des Verfassungschützers Hansjoachim Tiedge, Agentenaustausch auf der „Brücke der Einheit“, eine versuchte Anwerbung, die auch den Autor selbst betraf … Das alles liest sich wie ein spannender Krimi, der allerdings auf Tatsachen beruht und zudem von der „anderen Seite“ vielleicht noch ergänzt werden könnte. Ob ein solches Gemeinschaftsprojekt Dietmar Peitsch vielleicht sogar reizen würde?
Dietmar Peitsch: Spionage in Berlin. Agenten im Kalten Krieg. Elsengold Verlag. 208 S., geb., 25 €.